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ältere queere menschen in bern

Ältere queere Menschen wollen mit ihren spezifischen Bedürfnissen, in ihrer Menschenwürde, ihrer gesamten Lebensgeschichte und ihrem Wesen respektiert, aufgenommen und entsprechend behandelt, betreut und gepflegt werden. Auch im Alter wollen sie zu sich stehen können und akzeptiert werden, ohne nochmals dafür kämpfen zu müssen.

Im März 2020 veröffentlichte die Fachgruppe «Alter» der LGBTIQ-Organisationen die Ergebnisse einer Umfrage, in der sich queere Menschen zu ihren Erwartungen an Alters- und Pflegeeinrichtungen, Spitex und Pflegefachschulen äussern konnten. Die Ergebnisse bestätigten, dass sie aus persönlichen Erfahrungen die Sensibilisierung dieser Institutionen für LGBTIQ-Menschen und Menschen mit HIV als gering beurteilen. Sie erwarten mehr Aufgeklärtheit, Akzeptanz und Selbstverständlichkeit. «Dazu braucht es jetzt Ausbildungs- und Informationsunterlagen für Pflegefachschulen, Alters- und Pflegeeinrichtungen und Spitex mit entsprechenden Musterklauseln für Leitbilder der Einrichtungen», wie Max Krieg von der Fachgruppe Alter ausführt. Zudem sind gemäss einer soeben veröffentlichten Umfrage bei den Mitgliedern der queeren Community in Bern LGBTIQ-spezifische Angebote für ältere queere Menschen – wie etwa Wohngemeinschaften, Spitex, Betreuung, Begleitung oder Freizeitangebote – erwünscht oder sehr erwünscht.

Die beiden Vereine «queerAltern Zürich» (gegründet 2014) und «queerAltern Region Basel» (gegründet 2021) engagieren sich für queeres Wohnen, queer-gerechte Pflege und Hilfestellungen, unterstützten queere Politik und organisieren Veranstaltungen. «Nun stellte sich die Frage, ob auch in Bern eine solche Vereinigung erwünscht ist», wie Daniel Frey von hab queer bern erklärt. Eine von WyberNet Regionalgruppe Bern, Network Regionalgruppe Bern und hab queer bern mit der Unterstützung der Fachgruppe Alter der LGBTI-Dachverbände und der Berner Fachhochschule im Oktober und November 2022 online und anonym durchgeführte Umfrage ging dieser Frage nach.

Resultate

Die Ergebnisse der nicht repräsentativen Umfrage unter 131 Personen zeigen, dass die befragten Personen möglichst lang in der bisherigen Umgebung bleiben möchten; wenn es zu einem Wohnortwechsel kommen muss, sind LGBTIQ-spezifische Angebote eine beliebte Alternative. «Zudem bleibt die Teilhabe an der queeren Gemeinschaft auch im Alter wichtig», wie Marianne Dahinden von WyberNet ergänzt. «Allgemein ist die Dringlichkeit nach LGBTIQ-Spitex, Betreuung und Begleitung am höchsten – was auch damit zusammenhängen kann, dass die befragten Personen bevorzugt in ihrem gewohnten Umfeld altern möchten», erläutert Hugo Zimmermann von Network. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer*innen war bei 62 Jahren.

Über die Hälfte der befragten Personen wünschen sich, dass ein Verein «queerAltern Bern» nach dem Vorbild von «queerAltern Zürich gegründet wird. Knapp ein Drittel ist der Meinung, dass die Thematik innerhalb der Berner LGBTIQ-Organisationen angegangen werden sollte.

Am Dienstag, 30. Mai 2023 wird in Bern an einer gemeinsamen Veranstaltung von WyberNet, Network und hab queer bern nicht nur über die Ergebnisse der Umfrage, sondern auch über weitere Pläne gesprochen. «Es ist höchste Zeit», meint Daniel Frey, «dass nach mehr als 50 Jahre des erwachenden und gelebten Selbstbewusstseins von Lesben und Schwulen das Verständnis für die Situation und die Bedürfnisse von älteren bis hochaltrigen LGBTIQ-Menschen wächst».

Politische und gesellschaftliche Entwicklung

1942 wurde Homosexualität im neuen Strafgesetzbuch (StGB) zwar schweizweit entkriminalisiert, die starke Ablehnung nicht heteronormativer Menschen blieb in der Gesellschaft jedoch bestehen. Diese konservative Haltung widerspiegelte sich etwa im erwarteten und auch selbstauferlegten versteckten Auftreten der nicht-öffentlichen Schwulengruppen und in Repressionen (Schwulenregister, Razzien etc.), sowie der negativen öffentlichen Berichterstattung, die vor allem in der zweiten Hälfte der 1950er- und in den 1960er-Jahren an der Tagesordnung war. Allgemein musste die sexuelle Orientierung – um im beruflichen und sozialen Umfeld nicht geächtet zu werden oder sogar ihre Arbeit zu verlieren – verheimlicht werden. Erst ab 1968 (Studentenbewegung, Stonewall-Aufstand) und noch stärker Anfang der 1970er-Jahre (Film «Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der lebt» von Rosa von Praunheim) ist ein neues Selbstbewusstsein entstanden, das auch über schmerzhafte Erfahrungen, wie die Aids-Krise schlussendlich zu gesetzlichen und gesellschaftlichen Verbesserungen führte. Betrachtet man diese Entwicklung, so wird deutlich, wie jung eine akzeptierende Haltung von Politik und Gesellschaft noch ist. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für die schwierigen Umstände, unter denen die heute alten und hochaltrigen LGBTIQ-Menschen aufgewachsen sind und den Grossteil ihres Erwachsenenalters gelebt haben.

Begriffe

LGBTIQ ist eine englische Abkürzung und steht für lesbisch, schwul, bisexuell, trans, intergeschlechtlich und/oder queer.

Queer ist eine Sammelbezeichnung für sexuelle Orientierungen, die nicht heterosexuell sind, sowie Geschlechtsidentitäten, die nichtbinär oder nicht-cisgender sind.

Nichtbinär (non-binary) bedeutet, dass jemand sich nicht in das herkömmliche, streng zweigeteilte Geschlechtersystem einordnen kann oder will.

Cisgender oder kurz cis bezeichnet Personen, deren Geschlechtsidentität mit ihrem im Geburtenregister eingetragenen Geschlecht übereinstimmt, das meist anhand der sichtbaren körperlichen Geschlechtsmerkmale des Neugeborenen beurteilt wird.

Die Vereine

WyberNet ist ein Netzwerk von engagierten, lesbischen Angestellten, Fach- und Führungsfrauen aus Privatwirtschaft, Verwaltung sowie selbstständigen Unternehmerinnen. Die gegenseitige Förderung, berufliche Inputs, gesellschaftliche Themen und Aktivitäten mit öffentlicher Präsenz sind unsere Kernanliegen. Dadurch werden der Stellenwert und das Selbstverständnis lesbischer Berufsfrauen in Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik gestärkt.

Network: Als Zusammenschluss schwuler Führungskräfte, freiberuflich Tätiger, Künstler und Studenten nimmt Network eine Vorbildfunktion ein und ermutigt junge Menschen dazu, gerade am Arbeitsplatz einen selbstbestimmten, offenen Umgang mit ihrer Identität zu pflegen und Erfolge auf ihrem Karriereweg zu erleben. Mit den Ressourcen und Führungskompetenzen engagiert sich Network aber nicht nur in der Arbeitswelt für die soziale Vielfalt und Akzeptanz von queeren Personen, sondern auch in der Kultur und Politik.

hab queer bern wurde am 6. Dezember 1972 als «Homosexuelle Arbeitsgruppen Bern» gegründet und hat die vollständige Gleichstellung von queeren Menschen vor dem Gesetz und in der Gesellschaft zum Ziel. Der Verein ist kompetenter Ansprechpartner für die Anliegen von queeren Menschen und fördert durch verschiedenste Anlässe und Begegnungsmöglichkeiten das Zusammengehörigkeitsgefühl und das gesellschaftliche und soziale Leben ihrer Mitglieder. Freizeitangebote.

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