Affenpocken: Keine Stigmatisierung von schwulen und bisexuellen Männern

Aktuell sind haupt­säch­lich Män­ner, die Sex mit Män­nern haben (MSM), vom Affen­pock­en-Aus­bruch in Wes­teu­ropa betrof­fen. Gle­ichzeit­ig kön­nen sich auch het­ero­sex­uelle Per­so­n­en ansteck­en und bis heute ist wis­senschaftlich nicht gek­lärt, ob MSM ein beson­deres Risiko ein­er Ansteck­ung haben. Ein­er­seits müssen nun MSM umfassend sen­si­bil­isiert wer­den und ander­er­seits muss ein­er Stig­ma­tisierung von schwulen und bisex­uellen Män­nern durch Poli­tik und Gesellschaft ent­ge­gengewirkt wer­den.

In der Schweiz sind erst einzelne Fälle von Affen­pock­en-Ansteck­un­gen bekan­nt, trotz­dem ist die Sen­si­bil­isierung bere­its weit fort­geschrit­ten. So hat die Aids-Hil­fe Schweiz heute Fre­itag eine Kam­pagne im Auf­trag des Bun­de­samtes für Gesund­heit ges­tartet, die sich expliz­it an MSM richtet. Roman Heg­gli, Geschäft­sleit­er von Pink Cross, begrüsst dies: «Es ist wichtig, dass Symp­tome rasch erkan­nt wer­den. Durch die Sen­si­bil­isierung auf das Krankheits­bild wen­den sich mögliche Betrof­fene rasch­er an ärztlich­es Fach­per­son­al und kön­nen sich und andere schützen. Die Sen­si­bil­isierung wird dazu beitra­gen, weit­ere Über­tra­gun­gen zu ver­hin­dern.»

In der Com­mu­ni­ty ist wegen den Affen­pock­en-Fällen wenig Verun­sicherung zu spüren, vielmehr wer­den die Empfehlun­gen der Aids-Hil­fe Schweiz befol­gt. Für MSM, die regelmäs­sig wech­sel­nde Sexpartner*innen haben, ist das keine Umstel­lung: «Unsere Com­mu­ni­ty ist auf HIV und andere sex­uell über­trag­baren Infek­tio­nen (STI) sen­si­bil­isiert und legt seit Jahren ein vor­bildlich­es Schutz- und Testver­hal­ten an den Tag», so Flo­ri­an Vock, Leit­er Key Pop­u­la­tions der Aids-Hil­fe Schweiz und ver­ant­wortlich für die Infor­ma­tion­sof­fen­sive. «Diese Kom­pe­ten­zen, spezial­isierte Gesund­heit­szen­tren wie Check­points und unser Net­zw­erk der Com­mu­ni­ty kön­nen wir jet­zt effek­tiv nutzen und präven­tiv wirken. Ohne, dass weit­erge­hende oder gar repres­sive Mass­nah­men im Moment nötig sind.» 

Doch warum aktuell MSM beson­ders von Affen­pock­en-Infek­tio­nen betrof­fen sind, ist bish­er nicht gek­lärt. Ange­lo Bar­rile, Hausarzt, Nation­al­rat und Vor­standsmit­glied von Pink Cross, erläutert: «Medi­zinisch gese­hen gibt es keinen Grund, weshalb Affen­pock­en haupt­säch­lich beim Sex zwis­chen zwei Män­nern über­tra­gen wer­den sollte. Wahrschein­lich­er ist es, dass das Virus zufäl­liger­weise in sex­uelle Kon­texte von MSM getra­gen und dort über­tra­gen wurde.» Entsprechend soll­ten auch het­ero­sex­uelle Per­so­n­en bei entsprechen­den Symp­tomen und engen Kör­perkon­takt mit ein­er infizierten Per­son sofort ärztlich­es Fach­per­son­al kon­tak­tieren. 

Pink Cross warnt, dass poli­tis­che Entschei­dungsträgerin­nen nicht unüber­legt und stig­ma­tisierend han­deln: «Es wäre fatal, in repres­siv­en Aktion­is­mus auszubrechen. So wür­den sich die Sex­u­alkon­tak­te lediglich in pri­vate Räume ver­schieben, wo die Ziel­gruppe viel schw­er­er zu erre­ichen und zu sen­si­bil­isieren ist.» Bei Infek­tio­nen, die auch beim Sex über­tra­gen wer­den und Min­der­heit­en betr­e­f­fen, sind Schlies­sun­gen von Räu­men oder repres­sive Mass­nah­men keine nach­haltige Strate­gie, um Über­tra­gungs­ket­ten zu unter­brechen. Sie befördern eher Stig­ma­tisierun­gen.

Doch auch die Gesellschaft ist gefragt, nicht die Fehler der Ver­gan­gen­heit zu wieder­holen und beson­ders betrof­fene Grup­pen zu stig­ma­tisieren und zu diskri­m­inieren. «Spätestens seit Coro­na wis­sen alle, dass eine Infek­tion jede Per­son tre­f­fen kann und dass Betrof­fene keine Schuld haben», erin­nert Ange­lo Bar­rile. Denn gesellschaftliche Aus­gren­zung hätte nicht nur für die Com­mu­ni­ty, son­dern für die ganze Gesellschaft tragis­che Fol­gen: «Wenn mögliche Betrof­fene aus Angst vor Stig­ma­tisierung kein ärztlich­es Fach­per­son­al auf­suchen, kön­nen sich die Affen­pock­en viel ein­fach­er aus­bre­it­en – das darf nicht passieren.»

Infor­ma­tio­nen für Män­ner, die Sex mit Män­nern haben
Infor­ma­tion­s­seite des BAG