Comiczeichner Ralf König transphob und rassistisch?

Vor drei Jahren wurde in Brüs­sel feier­lich das auf Ini­tia­tive vom «Rain­bow­House» ent­standene Gemälde von Ralf König in der Nähe des Grand Place mit ein­er beein­druck­enden Grösse von nahezu 8 x 4 Metern eingewei­ht. Im «Rain­bow­House» sind ver­schieden­ste LGBT-Organ­i­sa­tio­nen der Region Brüs­sel zu Hause. Nun wurde das Wand­bild ver­schmiert. Vor­wurf: Es sei ras­sis­tisch und trans­phob …

Ras­sis­tisch und trans­phob? Oder die bunte Diver­sität?

Weil er «gute Charak­tere» in seinem beson­deren Stil zeichne, antwortete François Mas­soz-Fouil­lien vom «Rain­bow House» vor drei Jahren auf die Frage, warum für das Wandgemälde Ralf König aus­gewählt wurde: «Wenn du auf Aus­gren­zung und Diskri­m­inierung hin­weisen willst, sind Humor und eine pos­i­tive Ein­stel­lung die besten Mit­tel, um gegen Stereo­typen anzuge­hen». In dieser Hin­sicht sei Ralf König wohl ein­er der besten Kün­stler in ganz Europa.

Nach der Schmier­erei zeigt sich Ralf König ver­let­zt. In einem Post auf Face­book schreibt er heute: «Ich kapiere die Ver­bit­terung und Humor­losigkeit der poli­tisch allzu Kor­rek­ten ja schon eine Weile nicht mehr, vor allem ihre hem­mungslose Selb­st­gerechtigkeit.» Er schreibt weit­er:

Solche Aktio­nen sagen mehr aus über die Intol­er­anz der selb­ster­nan­nten Zen­surbeauf­tragten. Jede Ironie, jede satirische Übertrei­bung, jed­er selb­stiro­nis­che Blick auf die Szene ist gle­ich ein Angriff auf wen auch immer.

Tabea Rai sitzt für die Alter­na­tive Linke im Bern­er Stad­trat. Als LGBT-Aktivistin finde sie Ralf König «recht cool». Auf meine Frage, ob sie das Wand­bild als ras­sis­tisch empfinde, meint sie: «Nein, Ras­sis­mus ist nicht das erste, was mir durch den Kopf geht». Toll sei, dass das Bild die ver­schiede­nen Fig­uren in ihrer Diver­sität darstelle.

In ihrem Leben habe sie sehr viel Ras­sis­mus erlebt, meint Tabea Rai weit­er, sie sei sich dies­bezüglich «viel gewohnt». Und sie finde es wichtig, immer wach­sam zu sein und andere Men­schen auf Fehler in Darstel­lun­gen oder der Sprache hinzuweisen. «Jedoch soll­ten wir aber auch auf­passen, dass wir nicht gle­ich in allem ras­sis­tis­che oder sex­is­tis­che Absicht­en ver­muten».

Ist das Wand­bild in Brüs­sel trans­phob? Diese Frage stellte ich Hen­ry Hohmann von Trans­gen­der Net­work Switzer­land. «Keines­falls», meint der Ken­ner der LGBT-Szene. Allerd­ings sei er auch nicht damit ein­ver­standen, «dass gewisse und oft berechtigte Empfind­lichkeit­en von Min­der­heit­en in den Kom­mentaren z.B. auf Face­book ein­fach weggewis­cht wer­den». Es gehe bei Ralf König primär um Humor. Und Humor entstünde oft aus Über­spitzung von Fig­uren und Stereo­typen. Den­noch meine Ralf König mit der Fig­ur auf dem Wand­bild in Brüs­sel gewiss keine trans Frau.

Mich haben zwei Dinge vor über 25 Jahren qua­si «schwul sozial­isiert»: Meine regelmäs­si­gen Besuche im Cen­tro der HAZ in Zürich und die Comics von Ralf König. In der frühen Phase mein­er Selb­stfind­ung als Schwuler, ständig beobach­t­end, wie ich mich in dieser Com­mu­ni­ty bewe­gen sollte, haben mir die Comics von Ralf König nicht nur die schwule Sprache («Sah­neschnittchen»), son­dern auch die bunte Vielfalt der Com­mu­ni­ty näherge­bracht – ger­ade auch dank den Überze­ich­nun­gen sein­er Fig­uren («Bul­len­klöten»). Deshalb soll­ten wir doch tat­säch­lich in unser­er Com­mu­ni­ty – wie Ralf König in seinem heuti­gen Post meint – weniger ver­bis­sen, weniger aggres­siv, immer einen Grund suchend, sich selb­st und sein Welt­bild zum Alle­ingülti­gen zu erk­lären, bewe­gen.

Daniel Frey