Nach dem Denkanstoss der Lesbenorganisation Schweiz im vergangen Oktober über schwulen Sexismus und den vielen konstruktiven Diskussionen und ein paar Missverständnissen nun ein weiterer Denkanstoss von Ruben Ott vom «Milchbüechli», der falschsexuellen Zeitschrift der Milchjugend – getreu dem Motto «Redet miteinander» und gehen wir weiterhin aufeinander zu.
«Wie, Ihr arbeitet mit den Lesben zusammen?» Schlagartig war ich mindestens genauso erstaunt, wie der Herr aus einer Schwulenorganisation, der mir vor zehn Jahren diese Frage stellte. Ein Freund und ich präsentierten gerade unsere neue lesbischwule Schülerinnen- und Schülerorganisation. Offenbar wirkte es damals progressiv, sich in einer gemischtgeschlechtlichen Gruppe zu engagieren. Dass der gemeinsame Kampf von Schwulen und Lesben überhaupt hinterfragt werden könnte, war mir dermassen fremd, dass sich die Erinnerung an diese Frage bis heute hält. Ich konnte mir auch keinen vernünftigen Grund vorstellen, weshalb die Trennung der Lesben- und Schwulenorganisation Sinn machen könnte. (Das Transgender Network gab es noch nicht.)
Unterdessen bin ich schlauer geworden. Während ich früher von einer Fusion der Dachverbände überzeugt war, erkenne ich heute: Es ist enorm wichtig, dass es mit LOS und dem TGNS eigenständige Organisationen für lesbische Frauen und eine für Transmenschen gibt, die nicht von uns Cis-Schwulen dominiert werden. Trotzdem möchte ich aber an Pink Cross appellieren: Bleibt Schwulen-Organisation, aber solidarisiert euch und öffnet eure Vereinsziele.
Männliche Privilegien sind schwule Privilegien
Als Cis-Männer sind wir gegenüber Frauen* in unserer Gesellschaft vielfältig privilegiert. So reden Männer* z.B. häufiger einfach drein und ergreifen das Wort. Frauen* werden hingegen eher zur Zurückhaltung erzogen und trauen sich weniger zu. Unsere Welt ist männerdominiert, und das ist in der queeren Community leider nicht anders. Eher im Gegenteil. Daher ist es wichtig, dass mit der LOS eine starke Stimme für Frauen* immer präsent bleibt und Frauen* einen Raum bietet. Aber auch innerhalb der Schwulenorganisation brauchen wir mehr Rücksichtnahme auf die Stimmen, die vielleicht nicht so laut sind.
Geld ist Macht
Diese Privilegierung zeigt sich auch in den grösseren finanziellen Mittel von Pink Cross gegenüber der LOS oder dem TGNS. Ob dies (auch) eine Auswirkung der Lohnungleichheit von Frauen und Männern ist oder mit den Formen typisch männlichen Netzwerkens zusammenhängt, darüber lässt sich streiten. Wahrscheinlich nehmen wir Schwule es jedoch auch lockerer mit unserer Mitgliedschaft beim Verband, während eine potentielle Mitfrau für die LOS wiederum genauer überlegt. «Bin ich mit der Arbeit und den Positionen der LOS einverstanden? Finde ich den Mitfrauenbeitrag zu hoch?» Wer mehr Macht und Mittel hat, kann sich leichter bemerkbar machen. Wir Schwule kämpfen um Gleichstellung und Anerkennung in der Gesellschaft. Doch was können wir tun, damit wir mit unserer Stärke nicht andere sexuelle Orientierungen oder Geschlechtsidentitäten unsichtbar machen?
Teilt eure Macht!
Ich wünsche mir, dass Pink Cross seine Ziele anpasst. Mit unseren Ressourcen und unserem Einfluss können wir mehr, als nur für homosexuelle Cis-Männer zu kämpfen. Solidarisieren wir uns und teilen unsere Mittel mit den anderen!
Natürlich müssen wir uns untereinander austauschen, die Probleme und Bedürfnisse der anderen kennenlernen. Natürlich kann ich auch als Individuum versuchen, weniger zu mansplainen. Und ich korrigiere Menschen, die für jemensch ein falsches Pronomen verwenden.
Doch als finanziell stärkste Organisation haben wir mit Pink Cross eine besondere Verantwortung gegenüber den anderen Verbänden. Es muss unser Ziel und Wille sein, diese wahrzunehmen. Darum, liebe 2200 Pink Cross-Mitglieder, teilt euer Geld mit den anderen Falschsexuellen. Solidarisiert euch!
Ruben Ott, «Milchbüechli»