Diese Männer sind «Teufel»

In sein­er Antwort auf den Offe­nen Brief der HAB bestätigt Bun­desrat und EDA-Chef Didi­er Burkhal­ter, dass in der Schweiz eine Ver­fol­gung auf­grund der sex­uellen Ori­en­tierung oder Geschlecht­si­den­tität zur «Zuerken­nung der Flüchtling­seigen­schaft» führen kann. In einem TV-Inter­view mit dem amerikanis­chen Sender HBO nimmt der Präsi­dent Ram­san Kady­row der rus­sis­chen Teil­re­pub­lik Tschetsche­nien kein Blatt vor den Mund: Schwule sind «Teufel».

Ram­san Kady­row, tschetschenis­ch­er Präsi­dent: «Wir haben hier keine dieser Leute».

Anfangs April hat die Arbeits­gruppe Poli­tik der HAB in einem Offe­nen Brief an den Bun­desrat appel­liert, Rus­s­land doch aufzu­fordern, in Tschetsche­nien für les­bis­che, schwule, bi und trans* Per­so­n­en eine men­schen­würdi­ge Ord­nung herzustellen. Die Antwort von Didi­er Burkhal­ter, dem Vorste­her des EDA, traf einen Monat später bei uns ein. Der let­zte Satz des Briefes:

Ich ver­sichere Ihnen, dass das EDA die Lage von LGBTI-Per­so­n­en in Tschetsche­nien weit­er ver­fol­gen und ihre men­schen­recht­spoli­tis­chen Instru­mente in Bezug auf Rus­s­land angemessen ein­set­zen wird.

Die Schweiz the­ma­tisiere mit Rus­s­land, schreibt Bun­desrat Burkhal­ter weit­er, die Men­schen­rechte regelmäs­sig an bilat­eralen Tre­f­fen «auf hoher poli­tis­ch­er Ebene» und erin­nere Rus­s­land auch regelmäs­sig an die Ein­hal­tung sein­er inter­na­tionalen Verpflich­tun­gen.

The­ma der Sendung auf HBO ist Kampf­s­port; Gast ist der tschetschenis­che Präsi­dent Ram­san Kady­row. Auf die Frage des Jour­nal­ist David Scott, was er zu den Bericht­en über Ver­schlep­pung und Folter schwuler Män­ner in Tschetsche­nien sage, meint der Kady­row:

Was ist der Sinn dieser Fra­gen? Das ist Schwachsinn. Wir haben hier keine dieser Leute. Wir haben keine Schwulen. Wenn es welche gibt, bringt sie nach Kana­da. … Um unser Blut zu reini­gen: Wenn es hier irgendwelche gibt, nehmt sie.

In unserem Brief haben wir zudem den Bun­desrat aufge­fordert, Men­schen, die wegen ihrer sex­uellen Ori­en­tierung und Geschlecht­si­den­tität in ihren Heimatlän­dern ver­fol­gt wer­den, eine unbürokratis­che Auf­nahme in der Schweiz anzu­bi­eten. Bun­desrat Didi­er Burkhal­ter auswe­ichend in seinem Antwortschreiben:

In der Schweiz wer­den die sex­uelle Ori­en­tierung und Geschlecht­si­den­tität ein­er Per­son als ein wichtiger Teil der per­sön­lichen Iden­tität betra­chtet. Dem­nach kann in der Schweiz eine Ver­fol­gung auf­grund der sex­uellen Ori­en­tierung oder Geschlecht­si­den­tität zur Zuerken­nung der Flüchtling­seigen­schaft gemäss Artikel 3 des Asylge­set­zes führen.

Der Jour­nal­ist hakt im Inter­view mit Präsi­dent Ram­san Kady­row nach und fragt, ob es ihn nicht beschäftige, wenn er die Berichte junger Män­ner über tage­lange Folter lese — auch aus Sicht von Recht und Gesetz in sein­er Repub­lik. Diese Män­ner seien «Teufel», erwidert der Präsi­dent und meint:

Sie sind keine Men­schen. Gott soll sie für das ver­dammen, was sie uns vor­w­er­fen. Sie wer­den sich vor dem Allmächti­gen dafür ver­ant­worten müssen.

Die Förderung der Men­schen­rechte sei, schreibt EDA-Chef Didi­er Burkhal­ter im Brief an die HAB, ein wichtiges aussen­poli­tis­ches Ziel der Schweiz und ergänzt:

Die Schweiz engagiert sich für den Schutz der Men­schen­rechte von les­bis­chen, schwulen, bisex­uellen, trans­gen­der und inter­sex­uellen Per­so­n­en sowohl im bilat­eralen als auch im mul­ti­lat­eralen Rah­men. Sie unter­stützt entsprechende Res­o­lu­tio­nen und Mech­a­nis­men der UNO und Organ­i­sa­tio­nen wie dem Europarat.

Besorgt über die Lage schwuler Män­ner in Tschetsche­nien ist Deutsch­land. In ein­er Medi­en­mit­teilung schreibt Michael Roth, Staatsmin­is­ter für Europa im Auswär­ti­gen Amt, anfangs Juli:

Uns erre­ichen Berichte über die Wieder­auf­nahme der Ver­fol­gung Homo­sex­ueller in Tschetsche­nien. … Soll­ten sie zutr­e­f­fen, wäre das ein Schock für uns alle.

Michael Roth betont, dass Diskri­m­inierun­gen auf­grund der sex­uellen Ori­en­tierung lei­der immer noch viel zu häu­fig an der Tage­sor­d­nung seien — auch in Europa. Men­schen dürften nicht um ihr Leben fürcht­en müssen, «nur weil sie homo­sex­uell sind».

Das rus­sis­che «LGBT Net­work» hat nach eige­nen Angaben bish­er mehr als 60 Men­schen aus Tschetsche­nien evakuiert. Da diese in Rus­s­land nicht sich­er sind, ver­suchen die Aktivist*innen sie ins Aus­land zu ver­mit­teln. Schwule aus Tschetsche­nien aufgenom­men haben bish­er Deutsch­land, Frankre­ich, Litauen und einige nicht öffentlich benan­nte Län­der.