Sechs Fragen und Antworten darauf von links bis rechts

Queere Fra­gen an queere Kan­di­dierende und ihre Antworten von Vera Diener (JUSO), Lisi Dubler (Grüne), Mia Wil­len­er (BDP), Joel Hirschi (FDP) und Janosch Wey­er­mann (SVP).

Welch­es ist das wichtig­ste The­ma, dass du für die LGB­TIQ-Gemein­schaft im Nation­al­rat umset­zen wirst?

Vera Diener: Mir liegt eine umfassende, nicht het­ero­nor­ma­tive Aufk­lärung am Herzen. Junge Men­schen soll­ten in Zukun­ft selb­st­be­wusst und selb­st­bes­timmt ihr Liebesleben und ihre Sex­u­al­ität erforschen und ausleben kön­nen, ohne sich voller Selb­stzweifel zu hin­ter­fra­gen, wenn sie nicht cis-het­ero-sex­uell sind. Aufk­lärung muss endlich mehr sein als kich­ernd Kon­dome über Bana­nen zu rollen.

Lisi Dubler: Die Com­mu­ni­ty ist im Par­la­ment kaum vertreten und nicht sicht­bar, dies spiegelt sich auch in der Poli­tik wieder. Die Gle­ich­stel­lung gle­ichgeschlechtlich­er Paare und der Schutz vor Diskri­m­inierung auf­grund sex­ueller Ori­en­tierung sind The­men die ich ange­hen will.

Mia Wil­len­er: Die Gle­ich­stel­lung, wie sie in der Bun­desver­fas­sung gewährleis­tet wird, muss schnell­st­möglich und kom­pro­miss­los umge­set­zt wer­den, dadurch wer­den gle­ichgeschlechtliche Paare, aber auch trans‑, inter‑, nicht-binäre- und agen­der Men­schen — zumin­d­est amtlich — weniger diskri­m­iniert.

Joel Hirschi: Am wichtig­sten ist mir, dass die «Ehe für alle» auch in der Schweiz einge­führt wird. Wenn zwei Men­schen füreinan­der Ver­ant­wor­tung übernehmen wollen, sollte der Staat dies auch ermöglichen egal welche sex­uelle Ori­en­tierung man hat.

Janosch Wey­er­mann: Generell mehr Respekt und Akzep­tanz von LGBTIQ in unser­er Gesellschaft zu schaf­fen, damit all unsere Forderun­gen möglichst bald erfol­gre­ich umge­set­zt wer­den kön­nen.


Vera Diener: SP-Gemein­derätin in Schwarzen­burg, Co-Prä­sid­i­um der SP Schwarzen­burg und Mit­glied der JUSO.

Nach­dem EDU und JSVP das Ref­er­en­dum gegen die Erweiterung der Ras­sis­mus-Strafnorm mit dem Schutz der Diskri­m­inierung auf­grund der sex­uellen Ori­en­tierung ergrif­f­en hat, müssen wir im Feb­ru­ar an der Urne über die Geset­ze­san­pas­sung abstim­men. Bere­its vom Par­la­ment abgelehnt wurde der Schutz vor Diskri­m­inierung auf­grund der Geschlecht­si­den­tität. Wie denkst du darüber?

Vera Diener: Ich bin wütend auf diese Ewiggestri­gen. Sie und ihre Wäh­ler­schaft sind der Beweis für die Notwendigkeit dieser schützen­den Geset­ze.

Lisi Dubler: Eine Gesellschaft zeich­net sich dadurch aus, wie sie mit Min­der­heit­en umge­ht. Ich hoffe, die Geset­zes­re­vi­sion wird an der Urne angenom­men und ich werde mich weit­er dafür ein­set­zen, dass alle Men­schen vor Diskri­m­inierung geschützt wer­den.

Mia Wil­len­er: Die Strafnorm wird vom Sou­verän angenom­men die Geg­n­er wer­den zwar ver­suchen, mit einem dreck­i­gen und ver­mut­lich ver­lo­gen­em Abstim­mungskampf, die Hard­lin­er für sich zu gewin­nen, dies wird mein­er Mei­n­ung nach nur mäs­sig erfol­gre­ich sein, eher noch kon­trapro­duk­tiv.

Joel Hirschi: Mit der Erweiterung der Ras­sis­mus-Strafnorm wird nie­man­dem das Wort ver­bi­etet. Lediglich Hass gegen LGBTQ-Men­schen zu ver­bre­it­en wird ver­boten. Dass der Aspekt der Geschlecht­si­den­tität nicht ins Gesetz aufgenom­men wurde ist nicht erfreulich. Den­noch bin ich der Mei­n­ung, dass das jet­zige Gesetz ein guter erster Schritt ist.

Janosch Wey­er­mann: Wer die freie Mei­n­ungsäusserung ein­schränken will, tritt für Unfrei­heit ein, genau das wollen LGB­TIQ-Per­so­n­en doch nicht — sie wollen frei sein. Diese Frei­heit muss mit Mut und Überzeu­gungsar­beit angestrebt und vertei­digt wer­den. Dazu gehören auch der Wille und die Weit­sicht, sich mit unan­genehmen Äusserun­gen auseinan­der set­zen zu kön­nen, ohne gle­ich die Polizei einzuschal­ten. Die Anti­ras­sis­mus-Strafnorm wie auch die allfäl­lige Erweiterung sind für mich nichts anderes als gefährlich­er Gesin­nung­ster­ror.


Lisi Dubler: Co-Prasi­dentin Junge Grüne Kan­ton Bern .

Welt­frieden wäre schön! Für die Polit­gruppe von hab queer bern gilt Bar­bara Stuc­ki für die Nation­al­ratswahlen qua­si als Spitzenkan­di­datin. Über­raschend – aber klar – wurde sie im März 2018 in den Gross­rat des Kan­tons Bern gewählt. Nun ist die grün­lib­erale Poli­tik­erin dabei, die näch­ste Stufe ihres raketen­haften Auf­stiegs in der Poli­tik zu zün­den. Wir haben uns mit Bar­bara unter­hal­ten. Hier geht es zum Inter­view!


Es kann nicht sein, dass wir gle­ichgeschlechtlichen Paaren uns nochmals mit ein­er «abge­speck­ten» Ver­sion der Het­ero-Ehe abfind­en müssen. Zur Öff­nung der Zivile­he «für alle» gehört auch der gle­ich­berechtigte Zugang zur Fortpflanzungsmedi­zin. Bist du unser­er Mei­n­ung?

Vera Diener: Abso­lut. Das Geschlecht der Ehepartner*innen darf keine Rolle spie­len. Diskus­sio­nen über Pro und Con­tra von umstrit­te­nen Meth­o­d­en wie der Leih­mut­ter­schaft müssen unab­hängig vom Geschlecht der Ehepartner*innen disku­tiert wer­den. Das­selbe gilt für die Ehe an und für sich. Inwiefern sollen sich Eheschlies­sun­gen auf Steuern, Erb­schaften usw. auswirken? Braucht es die Ehe in dieser Form über­haupt noch oder ist sie ein Relikt aus ver­gan­genen Zeit­en und sollte durch ein zeit­gemäss­es Kon­strukt erset­zt wer­den?

Lisi Dobler: Der Vorschlag zur «Ehe für alle», wie er jet­zt vor­liegt ist für mich ungenü­gend. Dass der Zugang zur Fortpflanzungsmedi­zin ver­wehrt bleibt, schafft neue Ungle­ich­heit­en.

Mia Wil­len­er: Siehe Frage eins. Die Gle­ich­stel­lung vor dem Gesetz ist an und für sich in der Bun­desver­fas­sung gegeben. Wer sich heute noch dage­gen wehrt, ist entwed­er ein religiös­er Fun­di und/oder ein Men­sch der drin­gend Hil­fe benötigt, vielle­icht auch nur eine Umar­mung

Joel Hirschi: Mit der Ehe soll auch der Zugang zur Fortpflanzungsmedi­zin erfol­gen. Damit wäre aber auch die Ein­führung der Leih­mut­ter­schaft rel­e­vant, um den Kinder­wun­sch für schwule Paare zu erfüllen. Diese Art der Fortpflanzungsmedi­zin sehe ich mit gemis­cht­en Gefühlen. Der Staat müsste klare Regeln schaf­fen, um die Leih­mut­ter zu schützen.

Janosch Wey­er­mann: Klar, ich set­zte mich ohne Wenn und Aber für eine abso­lut gle­ich­w­er­tige «Ehe für alle» ein, wozu mein­er Mei­n­ung nach, auch ein voll­w­er­tiger Zugang zur Fortpflanzungsmedi­zin gehört.


Mia Wil­len­er: Mit­glied der BDP Kan­ton Bern.

Wir unter­stützen die Forderun­gen nach einem Ver­bot von geschlecht­san­gle­ichen­den Oper­a­tio­nen an Kindern, deren Geschlecht nicht ein­deutig zuweis­bar ist und aus gesund­heitlichen Grün­den nicht unmit­tel­bar wichtig sind. Was denkst du über ein solch­es Ver­bot?

Vera Diener: Es ist enorm wichtig, dass die Kinder diese Entschei­dung bewusst und ohne Druck sel­ber tre­f­fen kön­nen, wenn sie so weit sind. Ich unter­stütze dieses Ver­bot also.

Lisi Dubler: Ich befür­worte ein solch­es Ver­bot. Diese Oper­a­tio­nen sind meist nicht selb­st­bes­timmt und stellen einen grossen Ein­griff in die per­sön­liche Entwick­lung dieser Men­schen dar.

Mia Wil­len­er: Es ist beden­klich, dass zwar die rit­uellen Beschnei­dun­gen von Mäd­chen ver­boten ist, bei Jun­gen aber nicht. Genau­so frag­würdig ist es, dass es hinge­gen ok sein soll, die Neuge­bore­nen in die west­liche Binärität hineinzuoperieren, ohne die ger­ing­sten ethis­chen Bedenken seit­ens unseres Staates oder der Medi­zin und in krassem Wider­spruch zu unser­er Ver­fas­sung. Es braucht kein neues Ver­bot, es braucht eine Über­ar­beitung der bekan­nten Fälle und Verurteilun­gen wegen schw­er­er Kör­per­ver­let­zung sowie seel­is­ch­er Grausamkeit.

Joel Hirschi: Ein solch­es Ver­bot fände ich auch richtig. Solange das Kind nicht an Leib und Leben bedro­ht ist, sollte eine geschlecht­san­gle­ichende Oper­a­tion erst durchge­führt wer­den, sobald das Kind sel­ber über seinen Kör­p­er entschei­den kann.

Janosch Wey­er­mann: Ich unter­stütze die Forderun­gen nach einem solchen Ver­bot eben­falls, da ich in solchen Oper­a­tio­nen einen klaren Ein­griff in die Per­sön­lichkeit­srechte der Kinder sehe. Die betrof­fe­nen Kinder sollen später selb­st entschei­den kön­nen, welch­es Geschlecht sie haben möcht­en und ob sie sich dafür ein­er Oper­a­tion unterziehen wollen oder nicht.


Joel Hirschi: Vertreter der Jungfreisin­ni­gen im Vor­stand der FDP Stadt Bern.

Mit der Motion «Änderung des Geschlechts im Per­so­n­en­stand­sreg­is­ter» fordert SVP-Nation­al­rätin Ver­e­na Her­zog, dass sich die Änderung des Geschlechts an den «biol­o­gis­chen und medi­zinis­chen Fak­ten und Real­itäten» zu ori­en­tieren habe. Sie schreibt im Text zur Motion: «Wenn sich diese Änderung lediglich auf das per­sön­liche Empfind­en abstützen soll, öff­nen wir Tür und Tor für Beliebigkeit und Recht­sun­sicher­heit». Wir wis­sen, dass die Geschlecht­si­den­tität nicht unbe­d­ingt mit dem biol­o­gis­chen Geschlecht übere­in­stim­men muss. Wie ist da dein Stand­punkt?

Vera Diener: «Das Jahr 1939 soll Ver­e­na Her­zog bitte im Bäl­lelibad abholen kom­men, sie hat sich im 2019 verir­rt.» Solche Aus­sagen gehören, wenn über­haupt ins Muse­um. Sich­er nicht in die Poli­tik.

Lisi Dubler: Dass das biol­o­gis­che Geschlecht von der Geschlecht­si­den­tität abwe­ichen kann, ist eine Tat­sache. Eine Anpas­sung des Geschlechts im Per­so­n­en­stand­sreg­is­ter muss möglich sein!

Mia Wil­len­er: Zu den Voten von Frau NR Her­zog fall­en mir lei­der keine öffentlichkeit­stauglichen Worte ein, auss­er dass sie sich vielle­icht mal in die Real­ität begeben sollte und mit dem zynis­chen Pseudokinder­schutz, den sie betreibt, aufhören sollte.

Joel Hirschi: In diesem Fall gle­ich von der Schaf­fung von Recht­sun­sicher­heit zu reden finde ich über­spitzt. Es han­delt sich um eine Min­der­heit, welche von diesem Gesetz Gebrauch machen wird und diese wird wohl kaum zum Zusam­men­bruch des Staates führen.

Janosch Wey­er­mann: Ich unter­stütze den Stand­punkt, dass die Geschlecht­si­den­tität eines Men­schen nicht unbe­d­ingt mit dem biol­o­gis­chen Geschlecht übere­in­stim­men muss und würde die Motion dementsprechend klar ablehnen.


Janosch Wey­er­mann, Bern­er Stad­trat und Vizepräsi­dent GaySVP.

Welch­es ist dein abso­lut wichtig­stes poli­tis­che Ziel?

Vera Diener: Die Linken sind zu akademisch gewor­den. Darum wählen viele Büezer*innen rechts. Mein Ziel ist es, linke Ideen wieder stammtis­chfähig zu machen. Egal ob Queerdiskri­m­inierung, Kli­makrise, Altersvor­sorge, wir haben Lösun­gen für eine bessere Welt. Geflüchtete Men­schen im Mit­telmeer ersaufen zu lassen, ist hinge­gen keine Lösung, son­dern ein Ver­brechen.

Lisi Dubler: Die Gle­ich­stel­lung aller Lebens­for­men ist für mich ein zen­trales Anliegen. Es kann nicht sein, dass Men­schen auf­grund ihrer Herkun­ft, sex­uellen Ori­en­tierung oder sozialem Hin­ter­grund diskri­m­iniert wer­den.

Mia Wil­len­er: Die Schweiz­er Poli­tik far­biger, divers­er und (ein klein wenig) jünger zu machen.

Joel Hirschi: Mein wichtig­stes Ziel ist es, dass sich die Schweiz als weltof­fenes und fortschrit­tlich­es Land behaupten kann. Dafür müssen wir aber weit­er­hin bessere Rah­menbe­din­gun­gen schaf­fen. Sei dies in der Gesellschafts- wie auch in der Wirtschaft­spoli­tik.

Janosch Wey­er­mann: Ich set­zte mich ein für eine freie, unab­hängige und weltof­fene Schweiz mit ein­er zufriede­nen LGB­TIQ-Gemein­schaft, deren Forderun­gen hof­fentlich schon bald erfol­gre­ich umge­set­zt wer­den.