Fragen und Antworten

Queere Fra­gen an queere Kan­di­dierende für den Bern­er Stad­trat und die Antworten von Ursi­na Anderegg (bish­er, GB), Timur Akcasa­yar (bish­er, SP), Lea Bill (bish­er, GB), Nik Eug­ster (neu, FDP), Joel Hirschi (neu, JFDP), Claude Meier (neu, FDP), Dominic Nellen (neu, SP), Tabea Rai (bish­er, AL), Michael Rue­fer (bish­er, GLP), Siméon Seil­er (neu, GB) und Mar­cel Wüthrich (bish­er, GFL).

Ursi­na Anderegg (bish­er, GB)

Warum ist die Sicht­barkeit von queeren Politiker*innen im Bern­er Stad­trat wichtig?

Ursi­na Anderegg: Sicht­barkeit von unsicht­bar gemacht­en sozialen Grup­pen ist grund­sät­zlich über­all wichtig. Entsprechend auch in den Par­la­menten. Zudem ist natür­lich auch wichtig, dass die Per­spek­tiv­en von möglichst vie­len Bevölkerungs­grup­pen in Par­la­menten vertreten sind.

Timur Akcasa­yar: Sie zeigt der LGB­TIQ-Com­mu­ni­ty, dass sie in der Poli­tik vertreten ist und die Anliegen direkt einge­bracht wer­den. Die Sicht­barkeit kann auch andere dazu ermuti­gen, selb­st­be­wusster zu sein und sich offen­er in der Gesellschaft und Öffentlichkeit zu zeigen.

Lea Bill: Mein Ide­al ist es, dass der Stad­trat die Stadt­bern­er Bevölkerung wider­spiegelt, mit all ihrer Vielfalt, um so allen ein Gesicht und damit auch ein Gewicht im poli­tis­chen Prozess zu geben. Und da gehören queere Politiker*innen selb­stver­ständlich dazu.

Nik Eug­ster: Auch auf städtis­ch­er Ebene gibt es noch viel zu tun. Ger­ade deshalb ist es wichtig, dass queere Politiker*innen sicht­bar im Bern­er Stad­trat vertreten sind und die Anliegen der Com­mu­ni­ty vertreten. Es muss auch weit­er­hin Freiräume für unsere Com­mu­ni­ty geben — wie «hab queer bern» sie beispiel­sweise anbi­etet. Oder in der städtis­chen Ver­wal­tung müssen die Bedürfnisse der LGBTIQ noch stärk­er berück­sichtigt wer­den, sei gegenüber den städtis­chen Angestell­ten als auch gegenüber uns als Bürger*innen.

Joel Hirschi: Als Politiker*innen tra­gen wir Ver­ant­wor­tung und haben eine Vor­bild­funk­tion inne. Ger­ade um Min­der­heit­en in der Gesellschaft zu stärken und deren Akzep­tanz in der het­ero­nor­ma­tiv­en Gesellschaft zu fördern ist es wichtig, dass die LGBTQ- Com­mu­ni­ty auch in der Poli­tik sicht­bar ist. Zudem wollen wir mit unser­er Präsenz auch andere Queers dazu bewe­gen sich poli­tisch zu engagieren. Sei dies nun parteipoli­tisch oder in einem Vere­in.

Claude Meier: Die Sicht­barkeit ist nicht nur im Bern­er Stad­trat wichtig, son­dern in der ganzen Gesellschaft und in Führungs­funk­tio­nen von Poli­tik, Wirtschaft, Staat. Denn dies ermöglicht jün­geren Men­schen vor dem Com­ing-out auch eine Iden­ti­fika­tion­s­möglichkeit oder zeigt generell der Gesellschaft: wir sind da und nehmen unsere Ver­ant­wor­tung wie jede*r Andere wahr.

Dominic Nellen: Sicht­barkeit ist der erste Schritt zur wichti­gen Ver­net­zung. Mit Sicht­barkeit verknüpft ist jedoch auch der Anspruch, dass man/frau nicht ignori­ert wer­den kann. Ich per­sön­lich ste­he als schwuler Mann hin und sage: ich möchte eine tol­er­ante und soziale Stadt Bern. Jed­er Men­sch soll sich hier wohl fühlen, egal wen sie/er liebt oder mit wem sie/er lebt.

Tabea Rai: Es ist wichtig, dass sich die Vielfalt unser­er Gesellschaft auch in Par­la­menten wider­spiegelt.

Michael Rue­fer: Es gibt noch immer viel Diskri­m­inierung und Stig­ma­tisierung gegenüber LGB­TIQ-Men­schen. «Schwüp­pu», «Schwuch­tle» sind auch im Vok­ab­u­lar von ver­meintlich tol­er­an­ten Men­schen zu find­en, gehören sog­ar zum Jugend­jar­gon. Für viele ähn­lich unan­genehm, wie wenn man Peo­ple of Colour mit dem M*-Wort betitelt. Sicht­barkeit in der Poli­tik hil­ft immer gegen Diskri­m­inierung und für das Woh­lerge­hen von LGB­TIQ-Men­schen, davon bin ich überzeugt.

Siméon Seil­er: Es ist bei allen Min­der­heit­en oder mar­gin­al­isierten Grup­pen wichtig, sicht­bar zu sein. Ein­er­seits, weil nur wir Expert*innen für unsere Bedürfnisse sind, ander­er­seits weil Sicht­barkeit erst ermöglicht, dass jün­gere Mit­glieder unser­er Com­mu­ni­ties sehen, dass auch eine trans Per­son oder eine Migran­tin etc. weit kom­men kann.

Mar­cel Wüthrich: Ich set­ze mich für Nach­haltigkeit, für Leben und für Leben­squal­ität ein. Das Queer-Sein ist ein Bestandteil der men­schlichen Gesellschaft mit vielfälti­gen Facetten ihres Lebens, die bei nicht-queeren Men­schen weniger ver­bre­it­et sind. Trotz­dem wer­den LGB­TIQ-Men­schen lei­der auch in Bern nach wie vor von Mit­men­schen diskri­m­iniert oder sog­ar offen ange­grif­f­en («Hate Crimes»). Indem sich öffentliche Per­so­n­en (nicht nur in der Poli­tik bzw. im Stad­trat) möglichst selb­stver­ständlich zu ihrem Queer-Sein beken­nen, stützen sie die LGB­TIQ-Com­mu­ni­ty.

Timur Akcasa­yar (bish­er, SP)

Der Anteil von queeren Politiker*innen ist im Stad­trat bere­its rel­a­tiv hoch. Wie wichtig ist dir der Kon­takt zu anderen queeren Politiker*innen über die Partei­gren­zen hin­weg?

Ursi­na Anderegg: Der Kon­takt unter queeren Politiker*innen ist mir vor allem dann wichtig, wenn’s um queere poli­tis­che Anliegen geht, es macht viel aus, wenn in fast allen Frak­tio­nen queere Stadträt*innen sind, die sich dann für ein Anliegen ein­set­zen kön­nen. Anson­sten ist es im Par­la­ment wie in der ganzen Com­mu­ni­ty – queer sein heisst nicht, dass wir uns alle per­sön­lich nett find­en oder gle­ich­er Mei­n­ung sind.

Timur Akcasa­yar: Mir ist der Kon­takt zu allen Politiker*innen wichtig und da ich nicht nach der sex­uellen Ori­en­tierung frage, weiss ich auch nicht genau wer queer ist und wer nicht. Wichtig für mich ist, wer bei gesellschaft­spoli­tis­chen Anliegen lib­er­al ist und sich für die Men­schen und die Natur ein­set­zt.

Lea Bill: Grund­sät­zlich ist der Aus­tausch mit Politiker*innen über die Partei­gren­zen hin­weg ein wichtiger Teil der par­la­men­tarischen Arbeit. Für eine enge Zusam­me­nar­beit braucht es aus mein­er Sicht aber gemein­same Werte, da reicht queer sein alleine nicht.

Nik Eug­ster: Zur effek­tiv­en Verbesserung der Sit­u­a­tion der LGBTIQ ist Sach­poli­tik, keine Parteipoli­tik gefragt. Ich habe keine Berührungsäng­ste mit anderen Parteien. Dass der Anteil der queeren Politiker*innen im Stad­trat bere­its rel­a­tiv hoch ist, ist mir nicht aufge­fall­en. Kann der Anteil über­haupt zu hoch sein, wenn man beachtet, wie rück­ständig wir in gewis­sen uns betr­e­f­fend­en The­men­bere­ichen noch sind?

Joel Hirschi: Der Aus­tausch über Partei­gren­zen hin­weg ist essen­ziell und das nicht nur bei LGBTQ The­men. Es ist immer wieder span­nend ver­schieden­ste The­men mit Kolleg*innen aus allen poli­tis­chen Rich­tun­gen zu disku­tieren. Ger­ade auch bei The­men, welche die LGBTQ-Com­mu­ni­ty betr­e­f­fen herrscht längst nicht immer Einigkeit, aber das soll es auch nicht. Eine Demokratie lebt von ihren unter­schiedlichen Mei­n­un­gen.

Claude Meier: Der Kon­takt über Partei­gren­zen hin­weg ist mir generell wichtig. Scheuk­lap­pen und Ide­olo­gie sind mein­er Ansicht nach in der Poli­tik nicht hil­fre­ich. Poli­tik bedeutet auch Mehrheit­en zu find­en, da braucht es Brück­en­bauer.

Dominic Nellen: Poli­tik lässt sich nur machen, wenn über die eige­nen Partei­gren­zen hin­aus Lösun­gen gesucht und gefun­den wer­den. Poli­tis­che Anliegen machen keinen Halt an Partei­gren­zen. Für fast jedes The­ma gibt es Ansprech­per­so­n­en in ver­schiede­nen Parteien – so auch für queere The­men.

Tabea Rai: Es ist grund­sät­zlich sin­nvoll über Partei­gren­zen hin­weg zusam­me­nar­beit­en. Es sollte mehr um Sach­poli­tik gehen als um Parteipoli­tik.

Michael Rue­fer: Ich habe ger­ade gele­sen, dass in Neusee­land 12 Prozent Schwule ins Par­la­ment gewählt wur­den und dachte mir: Ist das nun viel oder wenig? Wichtig ist mir ein sehr offenes Mind­set und das pfle­gen wir im Stad­trat Bern glaub ich schon. Zur Frage des Kon­tak­ts: Wenn es sich anbi­etet und Sym­pa­thien da sind, sage ich: Auf jeden Fall. Und son­st gehört die Suche nach Allianzen, beson­ders für eine Partei im Sand­wich wie die GLP, ohne­hin zum «dai­ly busi­ness».

Siméon Seil­er: Wichtig, aber nicht bedin­gungs­los wichtig. Zur LGBTQIA-Com­mu­ni­ty zu gehören ist noch kein Garant dafür, dass wir am gle­ichen Strick ziehen kön­nen.

Mar­cel Wüthrich: Im Hin­blick auf gemein­same LGB­TIQ-Anliegen ist dieser Kon­takt tat­säch­lich wichtig, und er funk­tion­iert auch (z.B. gemein­same Motion für die Sich­er­stel­lung des Beratungsange­bots von hab queer bern). Da die Ange­hörigkeit zur LGB­TIQ-Com­mu­ni­ty allein kein poli­tis­ches Pro­gramm darstellt, ist mir dieser Kon­takt aber nicht wichtiger als der generelle über­parteiliche Kon­takt, um Mehrheit­en für poli­tis­che Anliegen zu find­en.

Lea Bill (bish­er, GB)

Die Stadt Zürich hat soeben mit dem Bau von Alter­swoh­nun­gen für queere Per­so­n­en begonnen. Würdest du ein solch­es Pro­jekt in der Stadt Bern unter­stützen?

Ursi­na Anderegg: Unbe­d­ingt. Schutzräume und bedürfnis­gerechte Räume braucht’s nicht nur für aktivis­tis­che oder feiernde Grup­pen, son­dern auch für ältere Men­schen. Wichtig bei solchen Pro­jek­ten finde ich immer, dass diese mit den Men­schen die diesen Bedarf haben gemein­sam konzip­iert wird, so wie es in Zürich gemacht wurde.

Timur Akcasa­yar: Falls mir jemand den gesellschaftlichen Nutzen solch­er Alter­swoh­nun­gen aufzeigen und mich überzeu­gen kann, warum nicht.

Lea Bill: Ich wün­sche mir für alle queeren Men­schen, unab­hängig vom Alter, dass sie in einem vorurteils­freien Umfeld leben kön­nen. Ger­ade im let­zten Lebens­ab­schnitt wer­den die Men­schen abhängiger von anderen, ihr All­t­ag ist weniger selb­st­bes­timmt. Hier gilt es deshalb beson­ders hinzuschauen, und zu garantieren, dass queere Men­schen weit­er­hin sich selb­st sein kön­nen. Ich finde deshalb das Pro­jekt in Zürich super und würde ein solch­es in Bern auf jeden Fall unter­stützen.

Nik Eug­ster: Die Zusam­me­nar­beit der Stadt Zürich mit dem Vere­in queer­Al­tern ist vor­bildlich und ein ähn­lich­es Pro­jekt wäre für Bern wün­schenswert. Wenn ein solch­es Pro­jekt auch in der Bern­er Com­mu­ni­ty entste­hen würde, wäre es wichtig, dass die Stadt Bern hier aktiv mitzieht. Das Bedürf­nis und die Ini­tia­tive soll­ten jedoch aus der Com­mu­ni­ty kom­men.

Joel Hirschi: Defin­i­tiv! Die Bedürfnisse von älteren Queers sind andere als jene von Het­ero Senior*innen. Wenn eine Nach­frage beste­ht und es Inve­storen gibt, die den Willen haben ein Queeres Alter­sheim zu real­isieren ist das sicher­lich begrüssenswert. Was ich jedoch wichtiger in dieser Hin­sicht finde ist, dass sich auch kon­ven­tionelle Alter­sheime an die neuen Gegeben­heit­en anpassen und ihr Per­son­al weit­er­bilden. Generell gehören die Bedürfnisse queeren Senior*innen in die Pflegeaus­bil­dung inte­gri­ert.

Claude Meier: Ich finde das Zürcher Pro­jekt äusserst span­nend. Das Engage­ment von pri­vat­en Organ­i­sa­tio­nen und Vere­inen zum Bau und Betrieb von Alter­swoh­nun­gen für queere Per­so­n­en finde ich sehr begrüssenswert und sich­er ein Vor­bild für weit­ere Städte der Schweiz. Aus meinen Erfahrun­gen als ehe­ma­liger Geschäfts­führer der kan­tonalen Organ­i­sa­tion der Arbeitswelt (OdA) Gesund­heit Bern bin ich in gesund­heit­spoli­tis­chen The­men sen­si­bil­isiert. Damals pflegte ich einen engen Aus­tausch mit den Gesund­heitsver­bän­den im Kan­ton Bern, vom Pflege­fach­fachver­band SBK bis zur Ärztege­sellschaft, über den Spitzexver­band, den Heimver­band Cura­vi­va bis zum Spi­talver­band und der kan­tonalen Gesund­heits- und Für­sorgedi­rek­tion. Dabei lag mein Fokus vor­wiegend beim Auf- und Aus­bau der beru­flichen Gesund­heit­saus­bil­dun­gen im Kan­ton Bern. Denn ohne Gesund­heitsper­son­al schlussendlich auch keine (queeren) Alter­swoh­nun­gen.

Dominic Nellen: Ich ste­he für bezahlbaren und zeit­gerecht­en Wohn­raum für alle Bevölkerungs­grup­pen ein. Alter­swoh­nun­gen für queere Per­so­n­en erachte ich als sehr sin­nvoll und förderungswürdig. Es kom­men nun mehr Per­so­n­en ins höhere Alter, die ein Leben lang offen queer gelebt haben. Ihren beson­deren Bedürfnis­sen muss Rech­nung getra­gen wer­den. Bis zum betreuten Wohnen und dem Pflege­heim. Queer sein heisst nicht nur Par­ty feiern.

Tabea Rai: Ja, sofort!

Michael Rue­fer: Wir haben ja ganz viele par­tizipa­tive Pro­jek­te in Bern, das weiss ich aus sechs Jahren in der Quartierkom­mis­sion Nordquarti­er. Ganz viele tolle Leute engagieren sich ehre­namtlich in Test­pla­nun­gen, z.B. bei der Über­bau­ung Wifag oder im Wankdor­fare­al. Hier wer­den solche Wohn­for­men disku­tiert. Wenn das Stadt­par­la­ment hier unter­stützen kann, bin ich gerne dabei. Finanziell fände ich eine Unter­stützung über die beste­hen­den Wohn­bauförderun­gen sin­nvoll.

Siméon Seil­er: Geschlecht und Sex­u­al­ität sind auch im Alter ein The­ma und es wäre unschön, im Alter das Com­ing-out rück­gängig machen zu müssen, wenn Heim­per­son­al oder Mitbewohner:innen nicht sen­si­bil­isiert sind. Sofern eine Sen­si­bil­isierung in den üblichen Insti­tu­tio­nen nicht mach­bar ist, sind sep­a­rate Woh­nun­gen eine Option. Vielle­icht haben wir ja aber auch ein­fach mehr Gemein­samkeit­en und möcht­en dies auch im Alter pfle­gen.

Mar­cel Wüthrich: Selb­stver­ständlich, denn dies ist ein aus­gewiesenes Bedürf­nis. Zu definieren wäre hier der städtis­che Beitrag; diesen sehe ich nicht in erster Lin­ie auf finanzieller, son­dern auf ideeller Basis.

Nik Eug­ster (neu, FDP)

Wir wis­sen: Noch immer ist für viele LGBTIQ ein «Safe Space» wichtig. Soll­ten Vere­ine und Organ­i­sa­tio­nen, die sich dafür ein­set­zen, von der öffentlichen Hand nicht bess­er unter­stützt wer­den? Etwa finanziell?

Ursi­na Anderegg: Grund­sät­zlich finde ich, es gehört zur Auf­gabe der öffentlichen Hand, beson­ders ver­let­zliche soziale Grup­pen zu unter­stützen, finanziell, aber auch durch gesellschaftliche Sen­si­bil­isierungsar­beit. In Bezug auf „Safe Spaces“ müsste man konkret anschauen, welche Art von Safe Spaces man wie ermöglichen will. Wenn zum Beispiel die Stadt mehr Freiräume grund­sät­zlich fördert, ist es auch nieder­schwelliger, sich geschützte Räume für eine gemein­schaftliche Nutzun­gen, Par­tys, etc. anzueignen. Geht es z.B. um LGBTI-Men­schen mir Fluchter­fahrun­gen, welche in Asy­lun­terkün­ften unterge­bracht sind, braucht es unbe­d­ingt finanzielle Unter­stützung der öffentlichen Hand, um diese Gruppe speziell zu schützen.

Timur Akcasa­yar: Selb­stver­ständlich, je nach ihren Bedürfnis­sen. Grund­sät­zlich sollte die öffentliche Hand entsprechende Räum­lichkeit­en wie Gemein­schaft­szen­tren für Grup­pen und Organ­i­sa­tio­nen zur Ver­fü­gung stellen und dafür sor­gen, dass in der Öffentlichkeit (Schulen, Clubs, Ver­anstal­tun­gen etc.) Diskri­m­inierun­gen und Hass keinen Platz haben.

Lea Bill: Die Stadt Bern soll lebenswert für alle sein und dazu gehören auch Safe Spaces für LGBTIQ. Ich befür­worte es deshalb, dass die Stadt Bern mit den Organ­i­sa­tio­nen zusam­me­nar­beit­et und sie unter­stützt, auch finanziell.

Nik Eug­ster: Ich bin seit mein­er frühen Jugend Mit­glied von «hab queer bern» und war Mit­grün­der der Jugend­gruppe «Com­ing Inn». Ich kenne deshalb die Rel­e­vanz dieser «Safe Spaces» und bin stark dafür, dass sie auch finanziell gefördert wer­den. Sie sind wichtige Ergänzun­gen zu kom­merziellen Ange­boten, z.B. im Bere­ich der Beratung.

Joel Hirschi: Ich bin der Ansicht, dass es heute viele Organ­i­sa­tio­nen und Vere­ine gibt, wo sich Queers tre­f­fen und aus­tauschen kön­nen. Generell finde ich, dass wir uns von der Separierung von Het­ero- und LGBTQ Vere­inen langsam tren­nen.  Het­eros und Queers feiern zusam­men, Essen zusam­men, arbeit­en zusam­men und leben zusam­men. Eine zusät­zliche Unter­stützung seit­ens des Staates finde ich daher nicht nötig. Es gibt heute aber immer noch genug Vere­ine wo man sich auch unter Queers tre­f­fen kann. Erfolg keine Separierung daher keine Finanzierung seit­ens öffentlich­er Hand nötig.

Claude Meier: Auf lokaler Ebene arbeit­en viele pri­va­trechtliche Organ­i­sa­tio­nen im Milizsys­tem für solche «Safe Spaces». Diesem Engage­ment von Organ­i­sa­tio­nen wie der HAB, Pinkcross, LOS, FELS, Net­work, Aids Stiftung und vie­len weit­eren danke ich. Seit mehr als 15 Jahren zahle ich in diversen dieser Vere­ine einen Mit­glieder­beitrag, weil ich deren Arbeit gesellschaftlich als äusserst rel­e­vant erachte.

Dominic Nellen: Eine Förderung ist abso­lut zwin­gend! Diese Organ­i­sa­tio­nen schaf­fen ein Net­zw­erk, das sich für queere Per­so­n­en ein­set­zt – das ist wichtig, denn son­st ste­hen Men­schen plöt­zlich alleine da. Eine gute Beratung und Unter­stützung ist zen­tral, damit jed­er Men­sch seinen Weg gehen kann und es ihm gut geht. Ich will, dass in der Stadt Bern solche Vere­ine selb­stver­ständlich mit genü­gend Ressourcen beste­hen kön­nen.

Tabea Rai: Es braucht auch unab­hängige nicht vom Staat unter­stützte Organ­i­sa­tio­nen gibt. Es wäre jedoch wichtig, dass gewisse Pro­jek­te wie Beratungsange­bote und oder soge­nan­nte Safe Spaces, auch vom Staat unter­stützt wür­den. So wie wir dies für das Beratungsange­bot der HAB 2017 über­parteilich gefordert haben.

Michael Rue­fer: Solche Ange­bote sind emi­nent wichtig. Nieder­schwellige Anlauf­stellen, Beratun­gen für Men­schen in Unsicher­heit. Ich weiss aus eigen­er Erfahrung, dass Diskri­m­inierung häu­fig ganz sub­til passieren kann. Ein­er LGB­TIQ-Per­son wird schnell mal unter­stellt, sie sei lau­nisch, deprim­iert, frus­tri­ert oder unser­iös, da häu­fig nicht an eine Fam­i­lie gebun­den. Als Gesellschaft müssen wir hier viel wei­t­er­denken, ger­ade in diesen sehr anspruchsvollen Zeit­en. Syn­demie ist für mich hier ein gutes Stich­wort. Eine kom­plexe Welt bringt kom­plexe Wirkungszusam­men­hänge und Krankheits­bilder. Wie es um die Beratungsange­bote in der Stadt ste­ht, weiss ich ehrlich gesagt zu wenig genau. Und so weiss ich auch nicht, wie arg der finanzielle Unter­stützungs­be­darf ist für solche Ange­bote. Ich bin schon zu haben, aber man muss sich dafür vielle­icht von anderen, über­holten Ange­boten ver­ab­schieden. Coro­na bietet doch eigentlich eine gute Gele­gen­heit dafür, nicht?

Siméon Seil­er: Mein­er Mei­n­ung nach gibt es keine «Safe Spaces», allen­falls «SafER Spaces», also Räume, die etwas sicher­ER sind. Eine Förderung dieser Räume sehe ich als sin­nvoll an, auch finanzieller Art.

Mar­cel Wüthrich: Ja, zweifel­los. Ich beobachte hier eine gewisse Ger­ingschätzung durch die kan­tonale Gesund­heits­di­rek­tion. Die Stadt hinge­gen tut sehr viel (u.a. Gle­ich­stel­lungs-Fach­stelle; Abbau von admin­is­tra­tiv­en Hür­den) und nimmt ihre Vor­bild­funk­tion dur­chaus ein; Bern ist auch Mit­glied des Rain­bow Cities Net­work.

Joel Hirschi (neu, JFDP)

Beratungsange­bote für queere Jugendliche wer­den finanziell unter­stützt. Würdest du dich dafür ein­set­zen, dass Beratungsange­bote und Tre­ff­punk­te für ältere LGBTIQ von der Stadt Bern finanziell unter­stützt wer­den?

Ursi­na Anderegg: Ja. Beratungsange­bote sind wichtig für die einzel­nen Men­schen, die Bedarf an Beratung haben und haben eine wichtige präven­tive Wirkung an der die öffentliche Hand auch ein Inter­esse hat, bzw. haben sollte.

Timur Akcasa­yar: Die begren­zten Mit­tel der Stadt Bern soll­ten wir für zusät­zliche Ange­bote für die Jugendlichen ver­wen­det wer­den und die Schulen und ausser­schulis­chen Träger­schaften bei LGB­TIQ-The­men bess­er unter­stützt wer­den. Die Erwach­se­nen haben im Gegen­satz zu den Jugendlichen genü­gend Möglichkeit­en sich zu organ­isieren und Hil­fe zu suchen, da braucht es aktuell keine speziellen Ange­bote der Stadt.

Lea Bill: Beratungsange­bote sind aus mein­er Sicht für alle Alters­grup­pen wichtig. Ich befür­worte deshalb auch eine finanzielle Unter­stützung der Beratungsange­bote für ältere queere Men­schen durch die Stadt Bern.

Nik Eug­ster: Jede Alters­gruppe hat ihre indi­vidu­ellen Anliegen und deshalb ist eine Seg­men­tierung der Beratungsange­bote und Tre­ff­punk­te klug. Es ist aber aus organ­isatorisch­er und ökonomis­ch­er Sicht auch klug, sie in ein­er Trägeror­gan­i­sa­tion wie «hab queer bern» zusam­men­z­u­fassen und nicht jede einzelne Sub­gruppe sep­a­rat zu sub­ven­tion­ieren.

Joel Hirschi: Ich finde die Bedürfnisse unter­schei­den sich zwis­chen den Gen­er­a­tio­nen. Junge Queers benöti­gen häu­figer Beratung, wenn es um Com­ing-out Fra­gen geht, während ältere Queers mit anderen Her­aus­forderun­gen kon­fron­tiert sind. Ich denke es gibt genug Beratungsange­bote, die häu­fig auch von den Dachor­gan­i­sa­tio­nen oder den Kan­to­nen und Gemein­den ange­boten wer­den. Schliesslich ist es auch nicht ver­boten, dass sich Queers untere­inan­der helfen und dafür ist keine öffentliche Hand nötig.

Claude Meier: Per­sön­lich bin ich nicht der­jenige, der als erstes nach dem Staat ruft, um gesellschaftlich rel­e­vante Auf­gaben zu übernehmen. Ich habe ein hohes Ver­trauen in die Men­schen, dass wir als Gesellschaft zusam­men etwas gemein­sam auf­bauen, führen und weit­er­en­twick­eln kön­nen, sei dies z.B. in den wichti­gen Auf­gaben der Beratungsleis­tun­gen für LGB­TIQ-Fra­gen. Als mein schwuler Onkel Anfangs der 90er Jahren bei uns pri­vat zu Hause von meinen Eltern auf­grund sein­er Aids-Erkrankung bis zu seinem Tod gepflegt wurde habe ich u.a. gel­ernt, wie wichtig das Net­zw­erk, Fam­i­lie, Fre­unde und Beziehun­gen sind, um schwierige Sit­u­a­tion auf pri­vater Ebene zu lösen.

Dominic Nellen: Wie ich oben schon sagte: alle Men­schen sollen Beratungsange­bote vorfind­en. Ich set­ze mich klar dafür ein, dass es das auch für ältere queere Men­schen gibt.

Tabea Rai: Beratungsange­bote für LGBTIQ Men­schen sollen unab­hängig von der Alter­sziel­gruppe unter­stützt wer­den.

Michael Rue­fer: Gegen­frage: Wie wäre es denn, wenn die Pro Senec­tute dieses The­ma stärk­er bewirtschaftet? Wie bei der oberen Frage muss ich zugeben: Darüber weiss ich zu wenig. Vielle­icht kom­men wir mit neuen Akzen­ten in beste­hen­den Gefässen hier weit­er. Zusät­zliche finanzielle Unter­stützun­gen wer­den es in den näch­sten drei Jahren extrem schw­er haben, es ste­ht uns Spar­runde um Spar­runde ins Haus. Aber vielle­icht ist es ja auch gut, ein­mal bei beste­hen­den Ange­boten über die Büch­er zu gehen und offen zu sein für Neues.

Siméon Seil­er: Ja. Tre­ff­punk­te zum informellen Aus­tausch für Men­schen aus dem LGBTQIA-Spek­trum haben in den let­zten Jahrzehn­ten lei­der eher abgenom­men. Und auch erwach­sene Men­schen aus diesem Spek­trum benöti­gen manch­mal Hil­fe und Beratung, sei es im Fall von Diskri­m­inierung oder bei einem späten Com­ing-Out zum Beispiel. Wir wis­sen, dass beispiel­sweise trans Men­schen es auf dem Arbeits­markt nicht ein­fach haben und es vielle­icht dann an ökonomis­chen Ressourcen fehlt, um sich berat­en zu lassen.  Ihnen kämen sub­ven­tion­ierte Beratun­gen sich­er zu Gute.

Mar­cel Wüthrich: Ich fände es richtig, wenn die LGB­TIQ-Organ­i­sa­tio­nen generell (und nicht nur von der Stadt Bern!) finanziell unter­stützt wür­den und diese dann sel­ber ihre Pro­jek­te pri­or­isieren wür­den, ohne dass von aussen einzel­nen Inter­essen (z.B. Jugendliche und Ältere) bevorzugt oder sog­ar gegeneinan­der aus­ge­spielt wer­den müssen.

Claude Meier (neu, FDP)

Im Novem­ber 2018 wurde im Bern­er Stad­trat das Pos­tu­lat «Mass­nah­men zur Gle­ich­stel­lung und zur Sicherung der Grun­drechte von trans Per­so­n­en» ein­gere­icht. Wo ste­ht die Umset­zung momen­tan?

Ursi­na Anderegg: Das Pos­tu­lat hat den Gemein­der­at aufge­fordert, mit Organ­i­sa­tio­nen, welche sich für trans Rechte ein­set­zen, Mass­nah­men zu erar­beit­en und diese im Rah­men des Aktion­s­planes Gle­ich­stel­lung 2019–22 zu ver­ankern. Dies ist auch geschehen, der Aktion­s­plan ist auf der Web­site der Stadt ein­se­hbar.

Timur Akcasa­yar: Der Gemein­der­at emp­fiehlt diesen Prü­fungsauf­trag zur Annahme und das Anliegen ist seit dem April 2019 für die Behand­lung im Stad­trat bere­it (so wie etliche andere Vorstösse auch).  Als gewählte Vertreter*innen müssen wir so oder so dafür sor­gen, dass die Anliegen von trans* Per­so­n­en bei den Sachgeschäften und bei der Ver­wal­tung berück­sichtigt wur­den.

Lea Bill: Das Pos­tu­lat wurde bere­its im April 2019 vom Gemein­der­at zur Annahme emp­fohlen, auf­grund des Pen­den­zen­stapels des Stad­trats wurde das Pos­tu­lat bis heute jedoch nicht trak­tandiert. Und damit ist auch die Umset­zung, also die Prü­fung des Anliegens, noch nicht aufge­gleist.

Joel Hirschi: Da ich selb­st kein gewähltes Mit­glied des Stad­trates bin, kann ich nicht mit Bes­timmtheit sagen, wie der aktuelle Stand ist. Ich kon­nte lediglich in Erfahrung brin­gen, dass der Gemein­der­at das Pos­tu­lat im April 2019 als erhe­blich erk­lärt hat. Somit gibt sich der Gemein­der­at nun ein Jahr Zeit einen Bericht zu erstellen um auf die Fra­gen der Antragsteller*innen einzuge­hen. Mit ein­er Antwort kann spätestens im April 2020 gerech­net wer­den.

Dominic Nellen: Im April 2019 hat der Gemein­der­at dem Stad­trat beantragt, das Pos­tu­lat erhe­blich zu erk­lären. Das Pos­tu­lat wird in einiger Zeit im Stad­trat behan­delt. Dann geht es um die Umset­zung. Es müssen konkrete Mass­nah­men zur Gle­ich­stel­lung von trans* Per­so­n­en erar­beit­et und im Rah­men eines Aktion­s­plans umge­set­zt wer­den. Das ist für trans* Per­so­n­en in der Stadt Bern zen­tral. Bern muss hier eine Vor­re­it­er­rolle ein­nehmen.

Tabea Rai: Der Vorstoss wurde noch nicht behan­delt. Die Antwort des Gemein­der­ats ist zwar pos­i­tiv aber ohne jegliche Begrün­dung: «Der Gemein­der­at beantragt dem Stad­trat, das Pos­tu­lat erhe­blich zu erk­lären.»

Michael Rue­fer: Das müsstet ihr die Ver­wal­tung oder dann die Unterze­ich­nen­den des Vorstoss­es fra­gen. Ich war 2018 noch nicht im Stad­trat. Es ist an der Ver­wal­tung, den Prü­fauf­trag für Mass­nah­men zur Gle­ich­stel­lung von trans Per­so­n­en umzuset­zen. Ich sehe aber, dass die Rechte und das Wohlbefind­en von LGBIT­IG-Per­so­n­en in den Aktion­s­plan zur Gle­ich­stel­lung von Mann und Frau «+» einge­flossen sind. Ich bin ges­pan­nt, welche Fortschritte man bis 2022 erzielt.

Siméon Seil­er: Sofern ich mich nicht irre, wurde das Pos­tu­lat noch gar nicht behan­delt. Anscheinend wer­den viele Vorstösse erst nach zwei bis drei Jahren trak­tandiert. Was für unsere Com­mu­ni­ty in dem Fall natür­lich speziell ungün­stig ist.

Mar­cel Wüthrich: Der Gemein­der­at beantragt die Annahme des Pos­tu­lats, welch­es ich mit ein­gere­icht habe; es liegt nun am Stad­trat, das Pos­tu­lat zu trak­tandieren und es zu über­weisen.

Dominic Nellen (neu, SP)

Seit 2018 umfasst der Auf­trag der Fach­stelle für die Gle­ich­stel­lung von Frau und Mann auch die Förderung der rechtlichen und tat­säch­lichen Gle­ich­stel­lung von LGB­TIQ-Men­schen in allen Lebens­bere­ichen. Der Aktion­s­plan 2019–2022 enthält erst­mals auch Mass­nah­men hierzu. Bist du mit dem dies­bezüglich bish­er erre­icht­en zufrieden? Was fehlt in deinen Augen noch?

Ursi­na Anderegg: Die Erweiterung auf diese The­men schon mal ein sehr wichtiger Schritt hin­sichtlich der Sicht­barkeit der The­men und in Bezug auf Ressourcen für Mass­nah­men. Es ist schon einiges in die Gänge gekom­men, die Zusam­me­nar­beit mit Fachor­gan­i­sa­tio­nen und Inter­essens­grup­pen für die Umset­zung der ver­schiede­nen Mass­nah­men scheint gut zu laufen. Es gibt natür­lich immer noch Luft nach oben, zum Beispiel in Bezug nieder­schwellige admin­is­tra­tive Anpas­sun­gen von Vor­na­mens- und Geschlecht­sein­trag für trans und non­binäre Men­schen bei städtis­chen Behör­den. Um solche Mass­nah­men voranzutreiben, muss die Stadt aber genug Mit­tel zur Ver­fü­gung stellen – aktuell ste­hen die Zeichen durch die kurzsichtige Spar­poli­tik des Gemein­der­ates hierzu nicht gut. Der Gemein­der­at ist bere­it, auch bei der Fach­stelle für die Gle­ich­stel­lung zu sparen, wir hof­fen, wir kön­nen das abwen­den.

Timur Akcasa­yar: Dass die LGB­TIQ-Anliegen in den Auf­trag der Fach­stelle aufgenom­men wurde war ein wichtiger Schritt. Die fest­gelegten Mass­nah­men gehen in die richtige Rich­tung und im Moment ist es noch zu früh für eine Beurteilung. Mir fehlen hinge­gen noch Mass­nah­men bei den Schulen und bei den religiösen Insti­tu­tio­nen und Organ­i­sa­tio­nen.

Lea Bill: Ich finde, dass die neuen Mass­nah­men ein­er Vielfalt von Leben­sre­al­itäten und Bedürfnis­senn Rech­nung tra­gen, was ich sehr begrüsse. Weil die Fach­stelle — und damit auch der Aktion­s­plan — ein so gross­es Spek­trum abdeckt, fall­en auf die einzel­nen Bedarf­s­grup­pen immer nur einige wenige Mass­nah­men. Es ist klar, dass damit auch Lück­en entste­hen – zum Beispiel gibt es keine Mass­nah­men für ältere queere Men­schen. Zudem muss im Hin­terkopf behal­ten wer­den, dass in Zeit­en von Spar­mass­nah­men, die Mass­nah­men des Aktion­s­plans Gle­ich­stel­lung eine der ersten sind, die gestrichen wer­den. Hier müssen wir ein Auge darauf hal­ten und dies ver­hin­dern.

Nik Eug­ster: Es wer­den viele Lip­pen­beken­nt­nisse gemacht und grund­sät­zlich ist z.B. der Beitritt der Stadt Bern zum «Rain­bow Cities Net­work» zu begrüssen. Und trotz­dem fehlt eine sicht­bare Unter­stützung der LGB­TIQ-Com­mu­ni­ty. Warum gibt es in der Bun­de­shaupt­stadt keine Pride-Ver­anstal­tun­gen? Wo bleibt eine Beflag­gung im Pride-Monat? Warum liegt Bern Wel­come keine Pri­or­ität auf queeren Income-Touris­mus? Trotz viel­er Konzepte: die LGB­TIQ-Com­mu­ni­ty ist in der Stadt Bern nicht wirk­lich sicht­bar. Schade.

Dominic Nellen: Zunächst bin ich froh, dass im Aktion­s­plan erst­mals konkrete Mass­nah­men für queere Men­schen aufge­führt sind, so etwa bei der häus­lichen Gewalt, im Asyl­we­sen und in der Jugen­dar­beit. Auch will die Stadt einen Aufritt frei von Stereo­typen in Bild und Wort. All diese Mass­nah­men gilt es kon­se­quent umzuset­zen, damit der Aktion­s­plan kein Papier­tiger bleibt. Das will ich aktiv überwachen und wenn notwendig nach­dop­peln. Eine Broschüre der Stadt Bern mit einem Frauen­paar auf dem Titel­bild – das wün­sche ich mir für das Jahr 2021!

Tabea Rai: Dieser Aktion­s­plan ist als Grund­lage wichtig und gut. Es reicht aber nicht solche Ziele in den Leg­is­laturzie­len festzuschreien und an der Pride in Bern «Flagge zu zeigen». Mit der Mit­glied­schaft bei den Rain­bow Cities Net­work und dem Aktion­s­monat LIKEEVERYONE wur­den erste Schritte gemacht. Nun ist es auch an uns Stadträt*innen Forderun­gen aufzustellen, welche der Gemein­der­at im Rah­men des Aktion­s­plans umset­zen soll.

Michael Rue­fer: Ich habe mir den Aktion­s­plan kurz angeschaut und finde die Mass­nah­men zur Diver­si­ty gut. Viele dieser Mass­nah­men sind aber schw­er mess­bar und bedin­gen vor allem einen grossen Kul­tur­wan­del: Wie kriegt man Vorurteile aus den Köpfen raus? Wie schafft man es, dass sich LGB­TIQ-Men­schen wohl fühlen in einem het­erodo­minierten Umfeld? Ich behaupte ket­zerisch: So viel bietet die Stadt Bern für LGBTIQ nicht! Es gibt kaum noch Begeg­nung­sorte, leicht über­al­terte Organ­i­sa­tio­nen oder dann stark poli­tisch vere­in­nahmte Tre­ff­punk­te – sage ich als Poli­tik­er;-) Spass bei­seite: Ich fänds cool, wenn sich die Stadt zusam­men mit Träger­schaften und Pri­vat­en zum Beispiel für LGBITQ-Cowork­ing-Spaces stark machen kön­nte. Unter einem solchen Dach würde dann ganz viel vere­int: Arbeit­en, essen, geniessen, Kul­tur, Events, Sport, vielle­icht auch Wohnen. Cowork­ing-Spaces ren­tieren nur zu unge­fähr 40 Prozent (habe ich gele­sen). Das fänd ich gut investiertes Geld. 

Siméon Seil­er: Die Ziele und Mass­nah­men sind für meinen Geschmack zu het­ero­nor­ma­tiv, aber in der Ten­denz gut. Die Umset­zung wird den Dien­st­stellen über­lassen, die Fach­stelle für Gle­ich­stel­lung «begleit­et» die Oper­a­tional­isierung lediglich. Es ist mir unklar, was dieses «Begleit­en» bedeutet. Allen­falls müssten hier schär­fere Vor­gaben gemacht wer­den, z.B. dass die Dien­st­stellen ihre Umset­zungspläne bewil­li­gen lassen müssten.

Mar­cel Wüthrich: Ich bin froh um die vorgenommene Aus­dehnung des Gle­ich­stel­lungsauf­trags auf die sex­uelle Ori­en­tierung, die Geschlecht­si­den­tität, den Geschlecht­saus­druck und die non-binären Aspek­te. Auch dies­bezüglich kommt der Stadt Bern eine Vor­bild­funk­tion zu. Insofern bin ich zufrieden; sollte tat­säch­lich etwas fehlen, gehe ich davon aus, dass sich die LGB­TIQ-Organ­i­sa­tio­nen melden.

Siméon Seil­er (neu, GB)

Die im Inter­net veröf­fentlichte Liste der momen­ta­nen Stadträt*innen sind auch die Inter­essen­verbindun­gen aufge­führt. Die Mit­glied­schaft zu den LGB­TIQ-Dachver­bän­den oder lokalen Grup­pen fehlt aber. Ist die Arbeit von Pink Cross, Les­benor­gan­i­sa­tion Schweiz, Trans­gen­der Net­work Switzer­land und Inter­Ac­tion poli­tisch zu unwichtig?

Ursi­na Anderegg: Auf der Stad­trats­seite sind nur diejeni­gen Inter­essensverbindun­gen aufge­führt in Bezug auf Vere­ine, Organ­i­sa­tio­nen, die von der Stadt (mit)finanziert wer­den. Dies ist regle­men­tarisch so vorge­se­hen. Auf die von Dir aufge­führten Organ­i­sa­tio­nen trifft dies nicht zu. Vere­ins­mit­glied­schaften wer­den aber teil­weise auf den Partei- oder per­sön­lichen Web­sites aufge­führt.

Timur Akcasa­yar: Die Frage ist doch, warum kein­er aus den Vorstän­den dieser Organ­i­sa­tio­nen für den Stad­trat kan­di­diert.

Lea Bill: Selb­stver­ständlich ist die Arbeit der genan­nten Ver­bände sehr wichtig für queere Anliegen. Dass die Ver­bände unter den Inter­essen­verbindun­gen fehlen ist dementsprechend schade und zeigt, dass es von bei­den Seit­en mehr Effort zur Ver­net­zung bräuchte.

Nik Eug­ster: Eine gute Frage, welche diesen Stadträt*innen zu stellen ist. Meine Mit­glied­schaften bei «hab queer bern», «Pink Cross» und «Net­work» habe ich auf mein­er Web­seite öffentlich und mit Stolz aufge­führt.

Joel Hirschi: Ich würde sicher­lich verneinen, dass die Arbeit der LGBTQ- Organ­i­sa­tio­nen poli­tisch irrel­e­vant wäre. Ganz im Gegen­teil sog­ar. Das Pink Cross, die LOS und das Trans­gen­der Net­work Switzer­land leis­ten unverzicht­bare poli­tis­che Arbeit die schon unzäh­li­gen Früchte getra­gen hat. Ich hoffe im Hin­blick auf die Ehe für alle natür­lich, dass sich diese Arbeit hof­fentlich gelohnt hat. Was den Stad­trat bet­rifft so glaube ich kön­nen die Stadträt*innen die Inter­essen­verbindun­gen gar nicht angeben, wenn sie nicht ein Amt in ein­er dieser Organ­i­sa­tio­nen bek­lei­den. Eine reine Mit­glied­schaft reicht lei­der nicht aus, um auf der Liste der Inter­essensverbindun­gen aufge­lis­tet zu wer­den. Dieser Ein­druck erweck­te sich mir beim Recher­chieren auf der Web­site des Stad­trates.

Claude Meier: Ich kenne die Hin­ter­gründe nicht, weshalb allfäl­lige Inter­essen­verbindun­gen von aktuellen Stadträt*innen nicht auf der Web­seite öffentlich sind. Ich kann aber hier meine Verbindungen/Mitgliedschaften angeben, welche mir per­sön­lich wichtig sind und deren Inter­essen ich zu weit­em teile: Pink Cross, hab queer bern, Aids Stiftung Schweiz, Hotel­lerieSu­isse, FDP, Jun­greisin­nige Partei, FDP Radi­gal, FDP Ser­vice Pub­lic, Kaufmän­nis­ch­er Ver­band Bern, Staats­bürg­er­liche Gesellschaft Bern, Alum­ni Uni Bern, REGA, Para­plegik­er Zen­trum Schweiz und REKA.

Dominic Nellen: Vere­ins­mit­glied­schaften fehlen in dieser Liste tat­säch­lich. Ich kann nur für mich sprechen: ich ste­he zu meinen Inter­essen­bindun­gen und Vere­ins­mit­glied­schaften. Ich würde mich freuen, mich auch für queere Anliegen im Stad­trat engagieren zu kön­nen. In unser­er Stadt zu leben soll Spass machen und schön sein. In aller Vielfalt.

Tabea Rai: Die Inter­essen­verbindun­gen wer­den nach Kat­e­gorien geord­net. «Nur» eine Mit­glied­schaft wird nicht aufge­führt. Ich bin der Mei­n­ung, dass es dur­chaus span­nend wäre auch Angaben zu Mit­glied­schaften zu machen, auch ohne Funk­tion in ein­er Organ­i­sa­tion.

Michael Rue­fer: Nein, das hat ein­fach mit dem For­mu­lar zu tun, das auf der Stad­trats­seite aufgeschal­tet ist und vom Ratssekre­tari­at so vorgegeben wird. Vielle­icht kön­nte man das ein­mal erweit­ern. Ich bin per­sön­lich nicht so gerne in möglichst vie­len Vere­inen engagiert. Man muss sehen: Stad­trat und Kom­mis­sio­nen füllen den Kalen­der schon gut aus – so ein 20-Prozent-Pen­sum ist dies wohl schon und am Ende des Monats kriegt man fast nichts dafür – auch das kann für viele Bevölkerungskreise diskri­m­inierend sein und eine grosse Bar­riere. Ehrenämter soll­ten erfül­lend sein und keine Last. Ausser­dem wer­den heute kurzfristige Engage­ments für bes­timmte Pro­jek­te und Kam­pag­nen immer wichtiger. Dafür habe ich eine gewisse Sym­pa­thie.

Siméon Seil­er: Bei Inter­essen­bindun­gen, welche für Mit­glieder des Stad­trates erfasst wer­den, geht es vor allem um beru­fliche Verpflich­tun­gen und wichti­gen Ämter. Ein­fache Mit­glied­schaften bei Ver­bän­den sind nicht sys­tem­a­tisch erfasst. Ich fände deren Erfas­sung sehr sin­nvoll, und da wür­den sich­er auch die LGB­TIQ-Ver­bände dazu gehören. Mit­glied­schaften erlauben einen Rückschluss auf die poli­tis­che Aus­rich­tung ein­er Per­son.

Mar­cel Wüthrich: Im Stad­trats-Infor­ma­tion­ssys­tem wer­den blosse Mit­glied­schaften nicht aufge­führt, son­dern rel­e­vante poli­tis­che Ämter und Man­datsver­hält­nisse, die gegebe­nen­falls auch zu Inter­essenkon­flik­ten führen kön­nten. Was mich per­sön­lich ange­ht: Ich führe meine Mit­glied­schaften bei Pink Cross und hab queer bern sowohl auf mein­er Partei-Home­page wie auch im Wahl­prospekt und durch Beiträge in den Social Media gerne auf. Also nein, diese Mit­glied­schaften sind alles andere als unwichtig und soll­ten zur Selb­stver­ständlichkeit der Lebens­form und zur Sicht­barkeit von LGB­TIQ-Men­schen beitra­gen.

Mar­cel Wüthrich (bish­er, GFL)