Halbstark, schön und rebellisch

Noch bis am 4. August zeigt das Bern­er Korn­haus­fo­rum Fotografien von Karl­heinz Wein­berg­er, dem Hof­fo­tograf des «Kreis». Der Ein­tritt zur Ausstel­lung im Stadt­saal ist frei.

Er arbeit­ete 31 Jahre im Lager ein­er Elek­tron­ik-Fab­rik in Zürich Oer­likon. Das war eigentlich sein All­t­ag. Aber es gab eine andere Seite, das wahre Leben: Karl­heinz Wein­berg­er (1921 bis 2006) fotografierte Bauar­beit­er, Body­builder, Schwinger und Box­er, schöne, starke Män­ner; seine Bilder erschienen unter dem Pseu­do­nym Jim in der Zeitschrift «Der Kreis». Im Milieu der Halb­starken der späten Fün­fziger­jahre fand er die Gegen­welt, in der er sich daheim fühlte. «Das Aussergewöhn­liche» nan­nte er es sel­ber auf seinen Vis­itenkarten.

Die Halb­starken tru­gen Jeans, damals wenig ver­bre­it­et und vor allem in bürg­er­lichen Kreisen ver­pönt als «Pro­le­tari­er-Kleid», sie woll­ten anders sein und sie haben das demon­stra­tiv zur Schau gestellt. Wein­berg­ers Auf­nah­men zeigen die jun­gen Wilden in der Öffentlichkeit, aber immer wieder auch bei sich daheim, in inti­men Porträts, ero­tis­chen Posen und Rit­ualen. Nach den Halb­starken zog es ihn zu den Rock­ern und ihren Motor­rad­clubs. Auch in diesen Auf­nah­men ist jene manch­mal irri­tierende Nähe zu spüren, die seine Bilder ver­mit­teln, eine Fasz­i­na­tion, die zugle­ich auch Sehn­sucht­ser­fül­lung zu sein scheint.

Die wun­der­bare Studie von Karl­heinz Wein­berg­er eines fast nack­ten Jünglings aus dem Jahre 1963 stammt aus einem alten Stein­bruch in Tune­sien. Quelle: Nach­lass Karl­heinz Wein­berg­er (Schwu­le­nar­chiv Schweiz, Zürich)

Karlheinz Weinberger — Hoffotograf des «Kreis»

Unter seinem bürg­er­lichen Namen blieb Karl­heinz Wein­berg­er Arbeit­er und Angestell­ter — ein unbekan­nter Durch­schnitts­men­sch. «Ihn zog es zu all jenen hin, die sich gesellschaftlichen Nor­men wider­set­zten und ein selb­st­bes­timmtes, freies Leben führten oder führen woll­ten», schreibt Ernst Ostertag auf der Web­site schwulengeschichte.ch.

Anfang der 50er Jahre kam Karl­heinz Wein­berg­er zum «Kreis» und nan­nte sich Jim. «Er war», schreibt Ernst Ostertag weit­er, «Meis­ter ein­er ver­hal­te­nen Erotik, die durch ihre Natür­lichkeit wirk­te und alle in den Bann zog, die ein Sen­so­ri­um dafür hat­ten». Bei den grossen Fes­tanlässen des «Kreis» war Jim regelmäs­sig dabei, wählte seine Mod­elle unter den Anwe­senden aus, liess sie posieren und schoss die heiss begehrten Por­traits.