Mehr als 40 Hate-Crime-Meldungen in den Sommermonaten 2019

Rainbow Flag lying on an empty table. Beautiful card. Isolated background, wooden surface. Congratulations for relatives, friends and colleagues

Im Jahr 2019 wur­den 66 Fälle von LGBT-feindlichen Hate Crimes gemeldet, also mehr als ein Fall pro Woche. Gle­ichzeit­ig bleibt die Dunkelz­if­fer hoch. Das zeigt: Angriffe auf LGBT-Per­so­n­en sind lei­der weit­er­hin alltägliche Real­ität. Die LGBT-Organ­i­sa­tio­nen fordern nun einen nationalen Aktion­s­plan mit grif­fi­gen und koor­dinierten Mass­nah­men.

Zum heuti­gen IDAHOBIT (Inter­na­tion­al Day Against Homo­pho­bia, Bipho­bia, Inter­pho­bia and Trans­pho­bia) wurde der neue Bericht der Meldestelle für Hate Crimes veröf­fentlicht. Der Bericht wertet LGBT-feindliche Angriffe und Diskri­m­inierun­gen aus, welche tele­fonisch oder online gemeldet wur­den. Die Zahlen zeigen deut­lich: Hate Crimes an les­bis­chen, schwulen, bisex­uellen und trans Men­schen sind keine Einzelfälle, son­dern alltäglich. So wurde im Erhe­bungszeitraum zwis­chen Jan­u­ar 2018 und Dezem­ber 2019 im Schnitt mehr als ein Fall pro Woche gemeldet – mit einem starken Peak von über 40 Fällen in den Som­mer­monat­en 2019.

Dabei haben ein Drit­tel der Melden­den physis­che Gewalt wie Gehirn­er­schüt­terun­gen, Prel­lun­gen, Brüche usw. erlit­ten. Gle­ichzeit­ig wur­den nur 18 Prozent der Angriffe der Polizei gemeldet – also nicht ein­mal alle Fälle von kör­per­lich­er Gewalt. Diese LGBT-feindlichen Hate Crimes haben Fol­gen: Über die Hälfte der Melden­den gab an, unter psy­chis­chen Beein­träch­ti­gun­gen auf­grund des Angriffes zu lei­den. Doch auch die gesamte LGBT-Com­mu­ni­ty lei­det: Durch die Hate Crimes fühlen sich viele unsich­er, ver­let­zlich und ändern deshalb ihre Ver­hal­tensweisen, zum Beispiel indem sie sich in der Öffentlichkeit nicht mehr als gle­ichgeschlechtlich­es Paar zu erken­nen geben.

So auch der bekan­nte Schaus­piel­er Erich Vock: «Ich lasse mich ein­schüchtern und füh­le mich nicht mehr so sich­er wie vor eini­gen Jahren. Mein Mann Hubert und ich sind vor­sichtiger gewor­den, unsere Zunei­gung öffentlich zu zeigen. Das bedrückt mich und ist schade.»

Trotz dieser erschreck­enden Real­ität ist der poli­tis­che Wille, zu han­deln, ger­ing. Erst im let­zten März wurde die Forderung nach ein­er offiziellen sta­tis­tis­chen Erfas­sung dieser Hate Crimes vom Stän­der­at abgelehnt. Die LGBT-Organ­i­sa­tion kön­nen und wollen diese Untätigkeit nicht hin­nehmen: «Es ist offen­sichtlich, dass wir in der Schweiz noch ein gross­es Prob­lem mit LGBTQ-feindlichen Angrif­f­en haben», sagt Roman Heg­gli, Geschäft­sleit­er von Pink Cross. «Nun braucht es einen nationalen Aktion­s­plan, der wirk­same Mass­nah­men auf allen Ebe­nen ermöglicht. Die Poli­tik darf nicht mehr wegschauen und LGBTQ-Per­so­n­en allein ihrem Schick­sal über­lassen!».

Mit dem nationalen Aktion­s­plan sollen drei Bere­iche pri­or­itär ange­gan­gen wer­den:

  • Schaf­fung ein­er nationalen Meldestelle für LGBTQ-Feindlichkeit mit pro­fes­sioneller Unter­stützung und Beratung von Opfern LGBTQ-feindlich­er Angriffe, um über Wis­sen gezielt han­deln zu kön­nen
  • Aus- und Weit­er­bil­dung von Strafver­fol­gungs­be­hör­den (Polizei, Staat­san­waltschaften und Gerichte) sowie weit­er­er juris­tis­ch­er Fach­per­so­n­en, damit Has­stat­en zur Anzeige und Strafver­fol­gung gebracht und Opfer geschützt wer­den
  • Verbindlich­er Auf­trag der Schulen, als bre­ite Präven­tion­s­mass­nahme umfassend aufzuk­lären und zu sen­si­bil­isieren zu LGBT-The­men

Auch in der Beratung­sprax­is zeigt sich, dass drin­gen­der Hand­lungs­be­darf beste­ht: «Meine Klient*innen bericht­en regelmäs­sig von Diskri­m­inierun­gen und Gewalt – nicht nur durch Pri­vate, son­dern lei­der auch durch staatliche Stellen», erläutert Alecs Rech­er, der die Rechts­ber­atung von Trans­gen­der Net­work Switzer­land TGNS leit­et. «Viele trans Men­schen, auch bere­its Schulkinder, lei­den mas­siv unter Angrif­f­en wie Mob­bing, Beschimpfen, kör­per­liche oder sex­u­al­isierte Gewalt.»

Doch trotz dieser erschreck­enden Vor­fälle rufen die LGBTQ-Organ­i­sa­tio­nen dazu auf, nicht den Mut zu ver­lieren. «Wir soll­ten uns nun nicht ver­steck­en, son­dern weit­er­hin mutig und sicht­bar sein!», zeigt sich Muriel Waeger, Co-Geschäft­slei­t­erin der Les­benor­gan­i­sa­tion Schweiz LOS, kämpferisch.

Gemein­sam wer­den wir diese Gesellschaft verän­dern!

Für per­sön­liche Beratun­gen und Unter­stützung kön­nen sich LGBTQ-Per­so­n­en an die LGBT+Helpline oder die Beratungsstellen von TGNS wen­den.