Die HAB müssen politisch sein!

Im April ist es zehn Jahre her als Christoph Janser zum Präsi­den­ten unseres Vere­ins gewählt wurde. Wagen wir einen Rück­blick.

Du Christoph bist als Nach­fol­ger von Matthias Müller gewählt wor­den. Kannst du dich noch an die Wahl erin­nern?

Noch schwach an den Apéro nach der MV. Ich kann mich noch daran erin­nern, dass ich mich bei Matthias gemeldet hat­te, als nach einem Nach­fol­ger gesucht wurde. Wir haben uns dann in einem Café getrof­fen und haben über das Amt gesprochen. Das Bild mit Matthias und mir kommt mir immer wieder vor Augen. Man wird älter und die Zeit verge­ht wie im Flug. Dass es schon zehn Jahre her ist, kommt mir manch­mal nicht so vor. Es war und ist eine sehr span­nende Zeit.

Du warst damals inner­halb der HAB noch nicht bekan­nt. Machte dir dies anfangs Prob­leme?

Nein, über­haupt nicht. Im dama­li­gen Vor­stand gab es keine weit­eren Demis­sio­nen. Ich kon­nte mich also auf ein bewährtes Teamver­lassen und mich von ihnen in die HAB ein­führen lassen. In mein­er Zeit lernte ich sehr viele span­nende Leute ken­nen. Ich gehe grund­sät­zlich pos­i­tiv auf Leutezu und freue mich immer auf den gemein­samen Aus­tausch. Vielle­icht war es ja auch ger­ade gut, dass ich eben nicht so bekan­nt war. Nicht nur ich durfte neue Leute ken­nen­ler­nen, viele Men­schen durften auch mich ken­nen­ler­nen.

Was hat dich in den let­zten zehn Jahren als Präsi­dent der HAB beson­ders beein­druckt?

Die Begeg­nun­gen mit den Mit­gliedern, Organ­i­sa­tio­nen und Men­schen, die sich für unsere gemein­samen Anliegen ein­set­zen. Es gibt so viele Men­schen, die uns unter­stützen oder mit denen wir gemein­same Aktio­nen durch­führen kön­nen. In Bern kon­nten wir als HAB ein sehr gross­es Netz auf­bauen. Dies war und ist auch weit­er­hin mein Anliegen, dass wir uns als kleine Organ­i­sa­tion gut ver­net­zen, uns auch als kleine Organ­i­sa­tion behaupten und uns bewusst sind, dass wir gemein­sam etwas bewe­gen kön­nen.

Sehr beein­druckt bin ich auch von Per­so­n­en und Organ­i­sa­tio­nen, die uns sehr unkom­pliziert helfen, sei dies finanziell oder mit “Man­pow­er”.

Und woran kon­ntest du dich in unserem Vere­in in den zehn Jahren nie so richtig gewöh­nen?

An die Ten­denz, dass immer mehr alles an den finanziellen Mit­teln gemessen wer­den muss. Damit man um finanzielle Unter­stützung bei Organ­i­sa­tio­nen oder Behör­den ersuchen kann, braucht es immer mehr detail­lierte Gesuche. Diese ver­brauchen schnell mal viele Men­schstun­den für die Erar­beitung. Und rauss­chauen tut dann vielle­icht nicht so viel, wie man sich erhoffte.

“Unsere The­men sind Akzep­tanz und Gle­ich­stel­lung.”

In meinen Augen mussten wir — um unsere Ziele zu erre­ichen — in den ver­gan­genen Jahren (wieder) ler­nen, dass die HAB immer noch poli­tisch sein müssen!

Alle die aktiv in den HAB mitar­beit­en sind in meinen Augen per se poli­tisch. Das Anliegen der HAB sind nicht Kli­maschutz oder Ver­hin­derung von Steuergeschenken. Unsere The­men sind Akzep­tanz, Gle­ich­stel­lung und der Diskri­m­inierungss­chutz von queeren Men­schen. Die HAB müssen – wie du sagst – poli­tisch sein. Diesem The­ma wur­den wir uns im Vor­stand schon vor etwa drei Jahren bewusst und baut­en die Arbeits­gruppe Poli­tik und Gesellschaft auf.

Wir bieten eine pro­fes­sionelle Beratung, organ­isieren Freizei­tange­bote und poli­tisieren in ein­er kleinen aber feinen Polit­gruppe. Bieten wir nicht zu viel an? Beratungsange­bote gibt es viele und ist die Poli­tik nicht Sache der Dachor­gan­i­sa­tio­nen?

Hat jemand Prob­leme mit dem Com­ing-out oder weiss jemand nicht, wo Gle­ich­gesin­nte bei Prob­le­men gefun­den wer­den kön­nen, sind wir in der Region Bern die einzige Organ­i­sa­tion, an die sich die Per­son wen­den kann.

Ich glaube nicht, dass wir als HAB zu viele Ange­bote anbi­eten. Meine Devise war immer, dass sich das Ange­bot an unsere Mit­glieder richtet. Das Beratungsange­bot ist mit seinen rund 350 Anfra­gen pro Jahr gefragt. Auch das kul­turelle Ange­bot haben wir wieder mit kreativ­en und ini­tia­tiv­en Vor­standsmit­gliedern wieder­belebt. Ich finde, dass wir hier auf einem sehr guten Weg sind. Und auch die regelmäs­si­gen 3gang-Abende mit durch­schnit­tlich 30 Teil­nehmenden ist doch ein gutes und gefragtes Ange­bot. Oder nicht?

Ich finde nicht, dass Poli­tik nur Sache der Dachor­gan­i­sa­tio­nen ist. Haben wir doch beispiel­sweise im let­zten Jahr zusam­men mit dem Stad­trat Bern unser Anliegen für das Aufrechter­hal­ten des Beratungsange­botes erfol­gre­ich durch­brin­gen kön­nen. Aber auch, dass die Stadt Bern eine neue Stelle für die Gle­ich­stel­lung von LGBTI geschaf­fen hat, gehört zu unser­er regionalen Poli­tik. Hier haben die Dachor­gan­i­sa­tio­nen nicht gross “mit­ge­spielt”.

Poli­tik ver­ste­he ich aber auch als “sich aus­tauschen und gemein­same Mei­n­un­gen find­en”. Es muss nicht immer eine Abstim­mung die Folge sein. Nur schon einge­mein­samer Aus­tausch bewegt bei den Men­schen etwas.

Du und ich hat­ten unsere Com­ing-outs in “prähis­torisch­er” Zeit. Die Frage nach dem Com­ing-out ist sich­er auch für dich lang­weilig … Aber trotz­dem ist ein Com­ing-out auch heute noch oft schwierig. Warum eigentlich? Was glaub­st du?

Ich finde die Frage nach meinem Com­ing-out nicht als lang­weilig. Mein Com­ing-out ver­lief ohne grosse Nebengeräusche. Aber ich glaube auch, dass es früher schwieriger war als heute. Wenn ich die Sit­u­a­tion heute betra­chte, ist für viele junge, aufgek­lärte Eltern das The­ma der sex­uellen Ori­en­tierung nicht mehr ein gross­es The­ma. Das hat in meinen Augen sich­er auch damit zu tun, dass in den Medi­en mehr über unsere The­men gesprochen und informiert wird.

Wenn ich hier den Bogen schla­gen darf, hat auch das wieder mit Poli­tik zu tun: aus­tauschen, net­zw­erken, darüber reden, berat­en …

Aber natür­lich gibt es auch in unser­er aufgek­lärten, informierten Zeit immer noch Leute, die nicht real­isieren, dass sich die Welt dreht und entwick­elt. Und wenn sich solche Leute dann abschätzig über unsere Com­mu­ni­ty her­ablassen, gibt es in meinen Augen nur eins: sich behaupten und sich wehren! Wenn beispiel­sweise Bis­chöfe und Päp­ste sich abschätzig über Homo­sex­uelle äussern oder Vertreter der recht­sradikalen PNOS ähn­liche Texte auf ihre Web­seite posten, gibt es nur eins: sich wehren! Zu let­zterem läuft übri­gens eine Sam­melk­lage; angetrieben von Pink Cross. Wir dür­fen uns in der heuti­gen Zeit nicht mehr alles gefall­en lassen.

Was mich hier aber am meis­ten nervt ist, wenn etwas ein­fach mal unüber­legt gesagt wird und sich dann gross entschuldigt wird, man hätte das nicht so gemeint … Gesagt ist gesagt. Und solche “unüber­legten Äusserun­gen” haben dann bere­its sehr viele Men­schen ver­let­zt. Eine solche “Entschuldigung” ist dann nur noch Heuch­lerei.

Wenn wir uns wehren, wird sich das auch auf unsere Jugendlichen pos­i­tiv auswirken. Sie haben Vor­bilder und sehen, dass sie sich nicht alles gefall­en lassen muss. Sie kön­nen sich behaupten und kön­nen schlussendlich selb­st­be­wusst zu ihrem ver­meintlichen “Ander­s­sein” ste­hen.

Zum Schluss noch eine pri­vate Frage: Du bist vor zehn Jahren aus der Ostschweiz nach Bern gezo­gen. Wie gefällt dir Bern?

Bern ist meine Heimat gewor­den. Mir gefällt Bern sehr gut und ich füh­le mich wohl hier. Die wun­der­schöne Stadt, die Natur und die Men­schen, die hier leben – das ist für mich Heimat. Ich kann mir zurzeit nicht vorstellen, wieder in die Ostschweiz zurück­zukehren.