Wählen WIR also richtig!

Am 20. Okto­ber ist Wahlson­ntag! Höch­ste Zeit, dass wir uns mit Poli­tik beschäfti­gen.

Rück­blende auf den 14. Dezem­ber 2018: Schlussab­stim­mung zur Par­la­men­tarischen Ini­tia­tive «Kampf gegen die Diskri­m­inierung auf­grund der sex­uellen Ori­en­tierung». 121 Parlamentarier*innen stim­men für die Annahme der Anpas­sung der Ras­sis­mus-Strafnorm, 67 bei acht Enthal­tun­gen dage­gen. Für die Vor­lage stimmten die Grü­nen, die SP, die Grün­lib­eralen, die FDP, die CVP und die BDP. Geschlossen dage­gen stimmt die SVP. Enthal­tun­gen gab es bei der SVP, der FDP und der CVP.

Einge­bracht hat­te die Geset­ze­ser­weiterung der SP-Poli­tik­er Math­ias Rey­nard im März 2013. Es dauerte also fast sechs Jahre, bis diese Vor­lage sämtliche poli­tis­chen Instanzen passiert hat­te und schlussendlich vom Par­la­ment angenom­men wurde. Diesen deut­lichen Entscheid kon­nten allerd­ings die EDU und weit­ere homo­phoben Grup­pen nicht akzep­tieren und ergrif­f­en das Ref­er­en­dum – die freie Mei­n­ungsäusserung sei in Gefahr, men­sch dürfe doch noch sagen dür­fen, «dass Homo­sex­u­al­ität nicht nor­mal» sei. Wir wer­den nun an der Urne über die erweit­erte Ras­sis­mus-Strafnorm abstim­men müssen.

Politik im Schneckentempo

Gesellschaftliche Begeben­heit­en kön­nen sich schnell ändern. Diese Tat­sache musste auch Math­ias Rey­nard fest­stellen. Während seine Par­la­men­tarische Ini­tia­tive zur Erweiterung der Ras­sis­mus-Strafnorm um den Schutz vor Diskri­m­inierung auf­grund der sex­uellen Ori­en­tierung während eben fast sechs Jahren durch die poli­tis­chen Instanzen wan­derte, wurde nicht nur ihm bewusst, dass in der Ras­sis­mus-Strafnorm der Schutz vor Diskri­m­inierung auf­grund der Geschlecht­si­den­tität fehlt. Der kurz vor der Schlussab­stim­mung im Par­la­ment einge­brachte Vorschlag, doch grad im «gle­ichen Aufwisch» in der Ras­sis­mus-Strafnorm auch die Diskri­m­inierung auf­grund der Geschlecht­si­den­tität zu schützen, hat­te keine Chance!

Diese äusserst langfädi­ge Geschichte beweist: Es ist nicht nur wichtig, dass wir wählen, son­dern auch welche Parteien und welche Per­so­n­en wir wählen.

Realitätsfremde Politik

Im Juni 2018 hat Beat Flach sein Pos­tu­lat «Alle Men­schen sind vor dem Gesetz gle­ich. Rechtliche Anknüp­fung an das Geschlecht abschaf­fen» ein­gere­icht. Damit wollte der grün­lib­erale Nation­al­rat vom Bun­desrat prüfen lassen, wie der Verzicht auf einen Geschlecht­sein­trag rechtlich umge­set­zt wer­den kön­nte.

In sein­er Begrün­dung schrieb Beat Flach, dass der generelle Verzicht eines per­so­n­en­stand­srechtlichen Geschlecht­sein­trags «ide­al» wäre: Unsere Bun­desver­fas­sung halte fest, dass «alle Men­schen vor dem Gesetz gle­ich sind». Den­noch gebe es nach wie vor viele Bes­tim­mungen, die für Mann und Frau unter­schiedliche Rechts­fol­gen vorse­hen, ohne dass dafür ein triftiger Grund beste­he.

Im Juni dieses Jahre hat der Nation­al­rat das Pos­tu­lat mit 99 gegen 76 Stim­men abgelehnt. Heftig­ste Geg­ner­in des Pos­tu­lats war Ver­e­na Her­zog. In ihrem Votum bekräftige die SVP-Nation­al­rätin, dass zwar «selb­stver­ständlich» alle Men­schen vor dem Gesetz gle­ich sind. Doch rei­he sich das Pos­tu­lat «in eine ganze Serie von Forderun­gen, Vorstössen und Ideen ein, die einzig auf die Auflö­sung und Gle­ich­macherei jeglich­er natür­lich­er Geschlechtlichkeit» abziele.

Nation­al­rätin Her­zog fällt immer wieder mit einem eige­nar­ti­gen Bild über LGBT-Per­so­n­en auf. Das entspreche aber nicht der all­ge­meinen Hal­tung der SVP, ver­sichert Thomas Fuchs, Mit­glied von hab queer bern. Unsere Frage, ob er schon das Gespräch mit ihr gesucht habe, beant­wortet er mit: «Das bringt nichts – sie ist unbelehrbar».

Somit soll­ten wir all die «Her­zogs» ein­fach ignori­eren? «Nein», find­et Regi­na Kunz von der Polit­gruppe von hab queer bern und ergänzt: «Bleiben Her­zog und Kon­sorten in Amt und Wür­den, wer­den wir uns schon bald wieder die gle­ichen homo- und trans­feindlichen Sprüche anhören müssen».

Wählen WIR also richtig! Allerd­ings: «WIR ist erst­mal nur das Stim­mvolk, davon wiederum der Anteil, der über­haupt gewählt hat, davon der Anteil, der eine bes­timme Partei gewählt hat – das sind dann wohl immer noch (zu) viele «Her­zogs», aber nicht mehr WIR», wie Hen­ry Hohmann, poli­tis­ch­er Beobachter von TGNS, schmun­zel­nd vor­rech­net.

Daniel Frey, AG Poli­tik und Gesellschaft