Nach Ständerat‐Nein verweigert auch der Nationalrat trans und inter Menschen Schutz

Nach der Dif­ferenzbere­ini­gung ste­ht fest: Das Par­la­ment lehnt mit 107 zu 77 Stim­men einen wichti­gen Teil der Erweiterung der Rassismus-Strafnorm ab. Has­sre­den und Diskri­m­inierung auf­grund der Geschlecht­si­den­tität sollen nach wie vor nicht strafrechtlich ver­fol­gt wer­den kön­nen. Doch zumin­d­est set­zt er ein klares Zeichen gegen Homo- und Bipho­bie, indem das Kri­teri­um «sex­uelle Ori­en­tierung» in die Strafnorm aufgenom­men wer­den soll.

Von Angesicht zu Angesicht mit Ali­cia Par­el von TGNS.

Von Angesicht zu Angesicht, in direk­tem Kon­takt mit ein­er trans Per­son etwas über deren Leben­sre­al­ität erfahren: Dies wurde heute von den LGBTI-Verbänden vor der Dif­ferenzbere­ini­gung im Nation­al­rat – direkt auf dem Bun­de­splatz – ermöglicht. Bevor sie den Schutz von trans und inter Men­schen disku­tierten, soll­ten Parlamentarier*innen die Möglichkeit haben, ein­er «solchen Per­son» gegenüber zu sitzen und ein Gespräch mit ihr zu führen.

Doch es nützte nichts: Der Nation­al­rat knick­te ein. Diskri­m­inierung und Has­sre­den auf­grund der Geschlecht­si­den­tität sollen auch kün­ftig strafrechtlich nicht ver­fol­gt wer­den kön­nen, beschloss das Par­la­ment heute in der Dif­ferenzbere­ini­gung. In den ver­gan­genen Monat­en hat­ten nicht nur die Recht­skom­mis­sio­nen bei­der Räte das Geschäft ursprünglich zur voll­ständi­gen Annahme emp­fohlen, son­dern auch der Nation­al­rat zuges­timmt. Let­zte Woche dann die grosse Ent­täuschung: Der Stän­der­at erachtete den Aspekt der Geschlecht­si­den­tität als «zu schwammig für das Strafrecht» – und befür­wortete nur den Schutz auf­grund sex­ueller Ori­en­tierung.

Die Erweiterung hätte einen besseren Schutz der gesamten LGBTI-Community vor Has­sre­den und Diskri­m­inierun­gen, die die Men­schen­würde angreifen, ermöglichen sollen. Entsprechend ent­täuscht sind die Schweiz­er LGBTI-Dachverbände: «Es reicht nicht, lediglich Les­ben, Bisex­uelle und Schwule zu schützen», sagt Alecs Rech­er, Leit­er der Rechts­ber­atung von TGNS.

Diskri­m­inierung auf­grund der Geschlecht­si­den­tität ist eine alltägliche Real­ität – auch hier und heute. Von Por­tu­gal über Frankre­ich bis Schot­t­land und Bosnien nehmen deshalb immer mehr Staat­en den Begriff der Geschlecht­si­den­tität in ihr Strafrecht auf. Der Entscheid von Stände- und Nation­al­rat, nicht ein­mal die Men­schen­würde von trans und inter Men­schen gegen Has­sre­den und Diskri­m­inierung zu vertei­di­gen, ist ein Armut­szeug­nis für die Schweiz und schmerzt uns als über­mäs­sig mar­gin­al­isierte Com­mu­ni­ties beson­ders.

Der Erweiterung um das Kri­teri­um der sex­uellen Ori­en­tierung stimmte der Nation­al­rat zu. Damit beste­ht keine Dif­ferenz mehr zum Stän­der­at und das Geschäft geht nun in die Schlussab­stim­mung.