Gedanken zum Tag gegen homo*, trans* und bi* Feindlichkeit vom letzten Mittwoch

Jew­eils im Mai erin­nern wir uns daran, dass am 17. Mai 1990 die Welt­ge­sund­heits­be­hörde Homo­sex­u­al­ität von der Liste der psy­chis­chen Erkrankun­gen gestrichen hat. Dabei sind wir uns bewusst, dass Trans­gen­der im aktuellen Krankheit­sklas­si­fika­tion­skat­a­log noch immer als men­tale Störung aufge­führt ist. Dies soll voraus­sichtlich mit der Revi­sion des Krankheit­skat­a­logs 2018 kor­rigiert wer­den.

Auch in diesem Jahr hat die ILGA Zahlen zur Sit­u­a­tion von queeren Men­schen veröf­fentlicht. So mussten wir zur Ken­nt­nis nehmen, dass die Schweiz im Rank­ing der Län­der weit­ere zwei Prozente ver­loren hat und wir uns mit ger­ade 31 Prozent drastisch von unseren Nach­barn Deutsch­land (54 Prozent), Öster­re­ich (56 Prozent) und Frankre­ich (71 Prozent) ent­fer­nen. Und im Iran, in Saudi­ara­bi­en, in Jemen und im Sudan, in bes­timmten Regio­nen von Soma­lia und Nige­ria sowie in eini­gen vom «Islamis­chen Staat» beset­zten Gebi­eten im Irak und in Syrien wird Homo­sex­u­al­ität noch immer mit dem Tod bestraft wird.

Von Daniel Frey

Ich per­sön­lich fand am ver­gan­genen Mittwoch – am diesjähri­gen IDAHOT – die Diskus­sio­nen im Face­book äusserst span­nend. Aus­gelöst hat den span­nen­den Aus­tausch die Les­benor­gan­i­sa­tion Schweiz LOS mit ihrem Fly­er und ihrem Dankeschön an die Eltern, die ihre Kinder lieben, wie sie sind. Gle­ichzeit­ig hat die LOS aber auch den Begriff «Les­bo­pho­bie» lanciert. Ein Auszug aus der Diskus­sion sei an dieser Stelle wiedergeben:

Frage: Bein­hal­tet Homo­pho­bie nicht auch Les­bo­pho­bie?

Les­bo­pho­bie über­schnei­det sich mit Homo­pho­bie, beze­ich­net aber die dop­pelte Diskri­m­inierung von Les­ben, die auf­grund ihres Frau­seins zusät­zlich noch Sex­is­mus erfahren.

Ich ver­ste­he. Den­noch finde ich es nicht so toll, wenn man das noch extra nen­nt. Ich meine, solche Diskri­m­inierun­gen gibt es im sel­ben Masse gegen schwule Män­ner. Ich per­sön­lich bin der Mei­n­ung, wir soll­ten aufhören in diesem Man­n/Frau-Schema zu denken. … In diesem Sinne müsste es eigentlich auch ein spezielles Wort geben und dieses müsste auch in der Kon­se­quenz genan­nt wer­den.

Die Sache nicht zu nen­nen führt eben dazu, dass es nicht sicht­bar ist. Als gäbe es das nicht.

Ich frage mich ein­fach, wäre es nicht zielführen­der alle diese Prob­leme zusam­men zu nen­nen als aufge­s­plit­tet und zer­hackt. Ich bin davon überzeugt, dass ein zusam­men eher Erfolg hat als eine solche Zer­split­terung.

Dif­feren­ziert mit For­men von Diskri­m­inierung umzuge­hen, hil­ft, diese in ihrer Struk­tur zu ver­ste­hen und aufzubrechen. Sex­is­mus nicht zu nen­nen wäre falsch. Schwule Män­ner prof­i­tieren struk­turell weit­er­hin von männlichen Priv­i­legien. Unsicht­bar­ma­chung von Les­ben* trägt nicht unbe­d­ingt zur Lösung des Prob­lems bei.

Da gehen die Asex­uellen vergessen …

… denke, dass eine Auf­s­plit­tung, Spezial­isierung … wirk­lich dafür sorgt, dass noch mehr Men­schen wegschauen statt hin­schauen! Als Betrof­fene habe ja bere­its seit langem den Überblick über all die ver­schiede­nen Beze­ich­nun­gen und Namen ver­loren und es führt noch mehr dazu, dass ich mich unsich­er füh­le… wie soll es den Men­schen gehen, die sich nicht ständig mit dem The­ma befassen? …

Dinge nicht benen­nen, weil es son­st kom­pliziert­er wird? Finde ich den falschen Weg. Mit Google kann man heutzu­tage Infos zu allem find­en. Vielle­icht bin ich etwas retro, aber wenn ich etwas in der Zeitung nicht ver­ste­he, schlage ich nach.

Ja klar mache ich ja auch aber nur bei Din­gen die mich betr­e­f­fen. Aber ich kann das nicht als selb­stver­ständlich anse­hen. Wenn ich mich umhöre in meinem Umfeld (Pflege) bin ich immer wieder erstaunt. Was ist Trans? Viele haben noch nie von Inter­sex­u­al­ität gehört … es macht es ein­fach nicht ein­fach­er wenn wir immer noch mehr und noch mehr neue Beze­ich­nun­gen brauchen, oft noch englisch … ich finde, es son­dert uns ab.

Sel­ber schlau machen im Web wäre nicht schlecht. Es kann nicht sein, dass die einen den anderen immer wieder alles erk­lären müssen.

Alle Män­ner wollen hier eine Pauschal­isierung. Gut, ich schlage vor, wir nehmen den Begriff Les­bo­pho­bie und denken ein­fach die Män­ner mit. Nicht?

Aber: «pho­bie» ist irreführend (Wer hat einen Grund, vor uns Angst zu haben? Ist Hass auf Men­schen­grup­pen eine Angst­störung?) und belei­digt Men­schen, die unter Pho­bi­en zum Teil erhe­blich lei­den. Daher auf Deutsch: «feindlichkeit».

Kri­tik an diesem Fly­er und am FELS-Mot­to: «Unsere Kinder lieben anders» zeigt, dass trans* Kinder offen­bar doch nicht gemeint sind — es sei denn sie «lieben anders». …

FELS ist die nationale Elter­nor­gan­i­sa­tion, die in diesem Jahr das 20-jährige Beste­hen feiert. Und ich habe beim Präsi­den­ten des Vere­ins, bei Fritz Lehre, nachge­fragt. Seine Antwort ist unmissver­ständlich, ehrlich und zeigt klar unser Dilem­ma als queer*denkende Men­schen auf:

Was Eltern von trans* Kindern erleben, entschei­den, begleit­en müssen ist erhe­blich anspruchsvoller, dage­gen ist die sex­uelle Ori­en­tierung fast ein Nichts. Dazu fehlt uns das Wis­sen.

Es sei richtig, wie Fritz Lehre in sein­er Antwort bestätigt, dass sich die Eltern inner­halb von FELS für ihre homo­sex­uellen Kinder engagieren. Das heisse aber nicht, dass sich FELS nicht auch für die Akzep­tanz von trans* Men­schen ein­set­ze. So hät­ten sich Vor­standsmit­glieder schon mehrmals mit Eltern von trans* Men­schen getrof­fen und mögliche Gemein­samkeit­en erörtert.

Was ich per­sön­lich aus dieser Diskus­sion mit­nehme:

  • Sprechen wir eine Sprache, die auch von der Mehrheit der Men­schen ver­standen wird. Die Mehrheit bes­timmt über Min­der­heit­en. Wir sind also auf den Good­will der Mehrheit angewiesen.
  • Unsere Com­mu­ni­ty wird immer bunter und vielfältiger. Zeigen wir uns sol­i­darisch mit allen Men­schen und ler­nen wir, diese auch zu ver­ste­hen. Eine bes­timmte Men­schen­gruppe «mit­meinen» ist aber für diese belei­di­gend.