Hassverbrechen gegen LGBTI‐Menschen sind Tatsache

Zum heuti­gen IDAHOBIT – dem inter­na­tionalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Trans­pho­bie – wird das Prob­lem von Hate Crimes an LGBTI-Personen in 13 Kan­to­nen auf die poli­tis­che Agen­da geset­zt.

In der Schweiz sind LGBTI-Personen bish­er nicht vor Has­sver­brechen geschützt – auch deshalb, weil das Aus­mass dieser Ver­brechen unbekan­nt ist. Aus diesem Grund wer­den in den 13 Kan­to­nen Aar­gau, Basel­land, Basel-Stadt, Bern, Zürich, Solothurn, St. Gallen, Tessin, Neuen­burg, Jura, Wal­lis, Waadt und Freiburg Vorstösse zur sta­tis­tis­chen Erfas­sung von Hate Crimes und der entsprechen­den Bil­dung von Polizist*innen ein­gere­icht.

Durch inter­na­tionale Stu­di­en wis­sen wir, dass die Anzahl der Hate Crimes sehr hoch ist. In dieser Woche wurde in Frankre­ich eine neue Studie veröf­fentlicht, welche bei Angrif­f­en gegen Schwule einen Anstieg um 20 Prozent verze­ich­net. Das hat Fol­gen bei den Betrof­fe­nen: Zum Beispiel eine mehrfach höhere Suizidal­ität bei LGBTI-Personen oder eine höhere Abhängigkeit von psy­choak­tiv­en Dro­gen bei Les­ben.

Im soeben veröf­fentlicht­en europäis­chen Ver­gle­ich fällt die Schweiz bei den Recht­en von LGBTI-Menschen um fünf Plätze nach hin­ten auf den sehr schlecht­en Platz 27 von 49. Im Bere­ich «Hate Crime / Hate Speech» wird kein einziges Kri­teri­um erre­icht. Das heisst, les­bis­che, schwule, bisex­uelle, trans und inter Per­so­n­en sind in kein­er Weise vor Has­sver­brechen geschützt. «Trotz all dieser Prob­leme tun sich die Poli­tik und Behör­den sehr schw­er, das The­ma endlich anzuge­hen. Zusät­zlich fehlt auch jegliche Präven­tion, da keine Mit­tel dafür zur Ver­fü­gung ste­hen», sagt Roman Heg­gli, Geschäft­sleit­er von Pink Cross.

Es fehlen Statistiken

Ein Grund für die Untätigkeit der Poli­tik und Behör­den sind die fehlen­den Sta­tis­tiken zu Hate Crimes auf­grund der sex­uellen Ori­en­tierung, der Geschlecht­si­den­tität, der Geschlechtsmerk­male oder des Geschlecht­saus­drucks. Bere­its im Jahr 2015 hat Nation­al­rätin Ros­marie Quad­ran­ti das Prob­lem erkan­nt und in einem Vorstoss im Nation­al­rat die sta­tis­tis­che Erfas­sung dieser Hate Crimes gefordert. Auf­grund des Wider­stands aus den Kan­to­nen wurde diese Forderung jedoch zurück­gewiesen.

Doch eine offizielle sta­tis­tis­che Erfas­sung ist drin­gend notwendig: «Bei unserem inter­nen Mon­i­tor­ing wer­den pro Woche zwei Fälle von Hate Crimes gemeldet, doch die Dunkelz­if­fer ist enorm hoch. Zusät­zlich fällt auf, dass die Angriffe kaum bei der Polizei gemeldet wer­den oder die Per­so­n­en von der Polizei nicht ernst genom­men wer­den», zeigt Roman Heg­gli auf. Um die Erfas­sung zu gewährleis­ten ist entsprechend auch eine Aus- und Weit­er­bil­dung der Polizist*innen in diesem Bere­ich notwendig. Da diese eben­falls in der Kom­pe­tenz der Kan­tone liegt, fordern die kan­tonalen Vorstösse auch dazu Mass­nah­men.

Durch diese Sta­tis­tiken und Sen­si­bil­isierungs­mass­nah­men soll ermöglicht wer­den, dass das Aus­mass der LGBTI-feindlichen Gewalt sicht- und beleg­bar wird. Erst dadurch kann endlich aktiv gegen Hate Crimes an les­bis­chen, schwulen, bisex­uellen, trans und inter Men­schen vorge­gan­gen und ihre Lebenssi­t­u­a­tion verbessert wer­den.

Die Situation im Kanton Bern

Im Kan­ton Bern über­wies im März 2015 der Grosse Rat die einge­brachte Motion 247‑2014 «Polizeiliche Erfas­sung von homo­phober Gewalt» als Pos­tu­lat und beauf­tragte den Regierungsrat zu prüfen, wie die Krim­i­nal­sta­tis­tik dahinge­hend angepasst wer­den kann. Allerd­ings wurde drei Jahre später der Vorstoss «abgeschrieben».

Der Regierungsrat des Kan­tons Bern schrieb damals in sein­er Antwort auf die Motion von 2015, dass «die Kan­ton­spolizei grund­sät­zlich den Hand­lungs­be­darf im Bere­ich homo­phober Gewalt erkenne». Damals ent­stand auf Anre­gung von Pink Cop und den HAB ein Fly­er, der homo­sex­uelle und trans Men­schen ermutigt, nach Über­grif­f­en in jedem Fall Anzeige bei der Polizei zu erstat­ten.

Nun haben Bar­bara Stuc­ki, Jan Gnä­gi, Natal­ie Imbo­den, Christa Ammann und Meret Schindler im Grossen Rat des Kan­tons Bern die Motion «LGBTl-feindliche Gewalt sta­tis­tisch erfassen» ein­gere­icht.

An der heuti­gen Medi­enkon­ferenz in Zürich betonte die Bern­er Gross­rätin Bar­bara Stuc­ki, dass «die fehlen­den sta­tis­tis­chen Dat­en dazu führen, dass die Gefahr von Angrif­f­en und Über­grif­f­en auf LGBTI-Menschen in der Schweiz verkan­nt wer­den». Dass dies nicht ein­fach ein dif­fus­es Gefühl von eini­gen Per­so­n­en ist, beweise die Berichter­stat­tung in den Medi­en nach dem öffentlichen Heirat­santrag von Sven Epiney an seinen Part­ner: «Der Blick etwa berichtete darüber, dass die Onlineredak­tion nach der Berichter­stat­tung über den Heirat­santrag über­durch­schnit­tlich viele unwürdi­ge, bösar­tige und has­ser­füllte Kom­mentare löschen musste».

HAB-Mit­glied und Gross­rätin Bar­bara Stuc­ki unter­stre­icht: «In Anbe­tra­cht der gegen­wär­ti­gen Zunahme von physis­chen und ver­balen Angrif­f­en gegenüber LGBTI-Menschen, die den kan­tonalen und nationalen Organ­i­sa­tio­nen gemeldet wer­den, ist es abso­lut dringlich, die derzeit­ige Prax­is der Polizei zu ändern und die LGBTI-feindlichen An- und Über­griffe in den Kan­to­nen zu erfassen. Nur damit kön­nen wir betrof­fe­nen Men­schen den Umfang der Angriffe mit Zahlen unter­mauern und die Behör­den dazu brin­gen, grif­fige Mass­nah­men zum Schutz der homo- und bi, trans und inter Men­schen zu ergreifen.»