Im Chat mit Christopher Lehnherr

In der habin­fo stellen wir regelmäs­sig Mit­glieder unseres Vere­ins vor. In der aktuellen Aus­gabe ist es der Pflege­fach­mann Christo­pher Lehn­herr, der sich im Gespräch als ein ehrgeiziger, neugieriger und mutiger Men­sch beschreibt.

Lieber Chris, bist du angekom­men?

In meinem Ver­ständ­nis von angekom­men kann ich diese Frage mit einem klaren Ja beant­worten. Ich bin zu «zu Hause» angekom­men.  Ein Gefühl von … Leben­squal­ität und Har­monie im Ein­klang.

Wie würdest du dich beschreiben?

Schwierige Frage. Eines ist jedoch klar: ich bin heute ein glück­lich­er, lebens­fro­her, stolz­er und fem­i­nis­tis­ch­er Trans­mann. Ich beze­ichne mich als ein ehrgeiziger, neugieriger und mutiger Men­sch.

Wie ver­bringst du deine Zeit?

Beru­flich bin ich seit 2014 als Pflege­fach­mann tätig. Neuerd­ings engagiere ich mich zudem als Berater* im Bere­ich queere Gesund­heit. Und in mein­er Freizeit bewege ich mich gerne viel­seit­ig in der Natur. Wan­dern, Fahrrad­touren, Wild­kräuter sam­meln brin­gen mir den gewün­scht­en Aus­gle­ich zum All­t­ag.

Wie erleb­st du als trans Mann den All­t­ag?

Mehrheitlich pos­i­tiv und bere­ich­ernd. Beru­flich wie auch pri­vat. Darüber bin ich sehr dankbar. Es gibt jedoch immer noch bürokratis­che oder poli­tis­che Richtlin­ien, welche mich als «nicht nor­malen» Men­schen fühlen lassen. Etwa bei der Krankenkasse oder geschlecht­sneu­tralen Toi­let­ten.

Nervt dich die Frage nach deinem Com­ing-out?

Ner­ven nicht mehr. Ich habe gel­ernt, wie weit ich solche Fra­gen an mich ran lasse. Für mich ist es aber wichtig, die Wis­senslück­en der Gesellschaft zu füllen. Es ist aber immer wieder ein Abwä­gen des Inter­essens oder der Moti­va­tion.

Und noch grad eine nervige Frage: Wann ist ein Mann ein Mann?

Sobald eine Per­son sich als Mann* fühlt, dann soll men­sch auch als Mann* leben dür­fen. Ist doch ganz ein­fach. Oder nicht?

Im Juni jährte sich der Stonewall-Auf­s­tand in New York zum 50. Mal. Und eigentlich war die trans Com­mu­ni­ty an vorder­ster Front dabei, wurde aber von cis Schwulen ver­drängt. In diesem Jahr führte die Pride in Zürich die trans Com­mu­ni­ty an. Wie empfind­est du dieses Zeichen?

Ich empfinde dieses Zeichen als ein notwendi­ges State­ment und ein Schritt Rich­tung Gle­ich­stel­lung inner­halb der Com­mu­ni­ty. Es heisst schliesslich aus einem guten Grund «Gemein­sam für Akzep­tanz und Tol­er­anz»!

Wie erleb­st du die soge­nan­nte LGB­TIQ-Com­mu­ni­ty?

Unter­schiedlich. Ich erlebe oft noch Diskri­m­inierung und Intol­er­anz. Trotz­dem hat sich das Ver­hal­ten und der Umgang seit meinem ersten Com­ing-out im Jahr 2007 stark verän­dert: Es gibt immer mehr Tol­er­anz, Respekt und Anerken­nung – ger­ade bei der jün­geren Gen­er­a­tion.

Statt «Homo­sex­uelle Arbeits­grup­pen Bern» heisst unser Vere­in jet­zt «hab queer bern». Dau­men nach oben oder Dau­men nach unten?

Ganz klar ein stolzes und freudi­ges Dau­men nach oben! 🙂

1990 hat die Welt­ge­sund­heit­sor­gan­i­sa­tion Homo­sex­u­al­ität von ihrer Liste gestrichen. Und ab 2022 wer­den auch trans Men­schen als nicht mehr «psy­chisch krank» gel­ten. Was geht dir da durch den Kopf?

Endlich! *Seufz* Ein Meilen­stein für die glob­ale trans Com­mu­ni­ty! Aus mein­er Sicht ein wichtiger Schritt welch­er zur psy­chis­chen Gesund­heit von trans Men­schen beitra­gen wird. Er dient hof­fentlich auch zu ein­er Reduk­tion von Stig­ma­tisierung in der Gesellschaft gegenüber der trans Com­mu­ni­ty.

Du schreib­st auf Face­book, dass dein Part­ner­men­sch nach dem Duschen keinen Sex mit dir wolle, dein Bart rieche dann wie ein nass­er Hund! Hast du ihn jet­zt abrasiert?

Haha, nein! Damit muss mein Part­ner­men­sch leben, denn mein Bart ist mir wichtig. Dann haben wir eben kein Sex mehr direkt nach dem Duschen. 😉

Bist du ein Beziehungs­men­sch?

Ich würde diese Frage mit einem Ja beant­worten. Entspreche aber nicht den Vorstel­lun­gen und Erwartun­gen ein­er het­ero­nor­ma­tiv­en Gesellschaft. Auch in dieser Hin­sicht suche ich gerne bere­ich­ernde Her­aus­forderun­gen.

Danke Chris für die ehrlichen und offe­nen Antworten.